Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Deutsche Bundesbank rechnet nach den Worten ihres Präsidenten Jens Weidmann damit, dass die aktuelle Wachstumsschwäche im neuen Jahr zunächst anhalten wird. Bei einer Rede in Mannheim verwies Weidmann darauf, dass die Stimmungsbarometer eine erhebliche Verschlechterung des Geschäftsklimas anzeigten, wobei die befragten Unternehmer ihre Erwartungen weitaus deutlicher zurückgenommen hätten als die Beurteilung der aktuellen Lage. "Entgegen unserer Prognose vom Dezember dürfte sich die Wachstumsdelle bis ins laufende Jahr erstrecken", sagte er.
Aus heutiger Sicht werde die deutsche Wirtschaft 2019 vermutlich deutlich unterhalb der Potenzialrate von 1,5 Prozent wachsen. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für 2019 in dieser Woche auf 1,0 Prozent gesenkt. Eine erste Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vierten Quartal wird das Statistische Bundesamt am 14. Februar veröffentlichen. Volkswirte rechnen mit Wachstumsraten zwischen 0,0 und 0,3 Prozent.
Laut Weidmann sollten niedrigere Wachstumserwartungen jedoch kein Grund zur Schwarzmalerei sein. "Eine langgezogene Wachstumsdelle ist noch kein konjunktureller Totalschaden - mit anderen Worten: Weder sehe ich einen plötzlichen Einbruch, noch kann ich eine längere Phase spürbar rückläufiger Wirtschaftsaktivität erkennen", sagte er.
Über die aktuelle Schwäche hinaus sei mit einem anhaltenden gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu rechnen, das auf einem starken Fundament aus günstigen Finanzierungsbedingungen, zunehmender Beschäftigung und steigenden Löhnen fuße. "Im laufenden Jahr kommen auch noch zusätzliche Impulse von einer Lockerung der Fiskalpolitik", sagte Weidmann.
Der Bundesbank-Präsident erwartet weiterhin, dass der starke Arbeitsmarkt ein Motor des Wirtschaftswachstums bleiben und allmählich auch den binnenwirtschaftlichen Preisauftrieb stärken wird. "Insgesamt halte ich den Ausblick aus unserer Dezember-Prognose für die beiden kommenden Jahre weiterhin für realistisch. Nach Überwindung der Schwächephase dürfte die deutsche Wirtschaft 2020 und 2021 wieder mit einer ähnlichen Rate wachsen wie ihre Kapazitäten", sagte er.
Allerdings seien die Unsicherheit über die weitere konjunkturelle Entwicklung hoch, und für Deutschland überwögen die Abwärtsrisiken, sagte Weidmann unter Verweis auf Handelskonflikt und Brexit.
Welchen Einfluss haben die ungünstiger werdenden Rahmenbedingungen auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB)? Laut Weidmann hängen die nächsten Schritte der geldpolitischen Normalisierung davon ab, wie sich die Inflation im Euroraum entwickelt. "Aus heutiger Sicht werden vor allem die gesunkenen Rohölnotierungen dafür sorgen, dass die Inflationsrate in diesem Jahr wahrscheinlich spürbar niedriger ausfallen wird, als die Experten des Eurosystems im Dezember noch vorausgeschätzt hatten", sagte er.
Weidmann wies aber zugleich darauf hin, dass das Preisstabilitätsziel des EZB-Rats mittelfristig definiert sei. "Wir sollten also durch diese Schwankungen hindurchschauen. Ich erwarte nach wie vor, dass die anhaltend gute Arbeitsmarktlage und das erhöhte Lohnwachstum den zugrunde liegenden Preisauftrieb im Euroraum allmählich stärken werden", sagte der Weidmann, der selbst dem EZB-Rat angehört.
Nach seiner Aussage wird der Prozess der Normalisierung aller Voraussicht nach mehrere Jahre dauern. Umso wichtiger sei es, nicht unnötig Zeit zu verlieren. "Die Geldpolitik braucht wieder mehr Spielraum, um in Zukunft auf einen unerwarteten konjunkturellen Einbruch reagieren zu können", sagte er.
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January 31, 2019 12:44 ET (17:44 GMT)
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