FRANKFURT (Dow Jones)--Die Karten an den internationalen Aktienmärkten sind in der ersten Februarwoche neu gemischt worden. Nachdem zuletzt vor allem das Zinsthema mit dem überraschend taubenhaften Kurs der US-Notenbank im Fokus stand, müssen sich die Anleger neu orientieren. Statt den Zinsen stehe nun wieder Konjunktursorgen im Vordergrund. Die große Frage für die Unternehmensgewinne und damit die Entwicklung der Aktienkurse ist, ob eine Rezession bevorsteht oder vermieden werden kann.
Der heftige Kursrutsch vom Donnerstag zeigte, wie überrascht viele Marktteilnehmer auf die plötzliche Anballung schlechter Wachstumsnachrichten reagierten. Während zunächst mit deutschen Auftragseingängen und dann der deutschen Produktion sowie einem regelrechten Einbruch der spanischen Industrieproduktion nur Datensätze veröffentlicht wurden, kam es kurz darauf zu einer Art globalem Rundumschlag.
Die EU-Kommission strich nämlich diverse Prognosen drastisch zusammen, beispielsweise für das Wirtschaftswachstum in Italien auf 0,2 nach zuvor 1,2 Prozent im laufenden Jahr. Auch für Deutschland sowie den Euroraum wurden die Schätzungen deutlich gesenkt. In den Reigen stimmten gesenkte Wachstumsprognose der Bank of England und der australischen Notenbank ein. Letztere erwartet nur noch 2,4 Prozent Wachstum statt 3,2 Prozent bis zur Jahresmitte. Für Anleger ist Australien deshalb besonders interessant, weil es gerne als Indikator für die Rohstoffnachfrage aus China betrachtet wird.
Dazu läuft auch die Berichtssaison der Unternehmen nicht rund, vor allem die Autoindustrie leidet unter dem US-chinesischen Handelskonflikt. Daimler, Fiat, Subaru und Leoni warteten mit schlechten Zahlen und/oder schwachen Ausblicken auf. Und als Sahnehäubchen verschob US-Präsident Trump das avisierte Treffen mit seinem chinesischen Pendant auf "später". Der Markt muss daher eine Rückkehr der Strafzollmaßnahmen nach dem Stichtag 1. März befürchten.
Panikartige Verkäufe
Am Aktienmarkt fiel die Reaktion auf diese Gemengelage überhastet und panikartig aus. Anstelle eines erhofften Angriffs auf die 11.600er-Marke hat der DAX nun Mühe, die 11.000er Marke zu verteidigen. Charttechniker sehen aber eher die 10.600er-Marke als nächstes Ziel an. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten explodierte der Bedarf für Portfolioabsicherungen auf ein Rekordniveau. In Optionen auf den Euro-Stoxx-50-Index kam es am Donnerstag zu einem Put-Umsatz von 1,3 Millionen Kontrakten. Die Put-Call-Ratio sprang mit 3,39 auf einen Wert, der sonst eher rund um Börsencrashs zu beobachten ist. Das belegt, wie unvorbereitet die Anleger auf den plötzlichen Gegenwind waren.
Für die weitere Richtung an den Börsen sind in der kommenden Woche besonders harte Fakten zur Industrieproduktion wichtig. Ob es zwischen dem vierten und ersten Quartal zu einer globalen Rezession kommt, ist noch offen. Daten zur Industrieproduktion kommen am Montag aus Großbritannien, am Mittwoch aus der EU und am Freitag aus den USA. Dazu gesellen sich am Donnerstag die Handelsbilanz aus China und das BIP aus Deutschland.
Eingerahmt werden die Daten von Verbraucherpreisen aus China und den USA. Das Überraschungspotenzial ist hoch und eine Rückkehr der Anleger in den Aktienmarkt erst zu erwarten, wenn das komplette Bild vorliegt. Die kommende Woche dürfte daher bestenfalls zu einer Seitwärtsbewegung führen.
Analysten uneins
Der Fairness halber sei gesagt, dass die Chance auf eine positive Auflösung der aktuellen Ängste, immer noch vorhanden ist. Analysten sind sehr polarisiert in ihren Rezessionserwartungen, ein einheitliches Bild gibt es nicht. Eine Hälfte der Marktteilnehmer wird daher demnächst seine Markterwartung anpassen müssen.
Auf eine Rezession setzen zum Beispiel die Analysten der Societe Generale. Sie befürchten, dass der stabile deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex nur nachlaufend ist und die nächste Rezession schneller kommen wird als gedacht. Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung sollte der taubenhafte Ton der US-Notenbank nicht mit der Rückkehr zu einem sogenannten Goldilocks-Szenario verwechselt werden.
Volkswirt Andreas Rees von der Unicredit ist dagegen optimistisch. Die schwachen Daten zu Auftragseingang und Produktion aus Deutschland sieht er von Sonderfaktoren belastet. Für das vierte Quartal erwartet er ein mageres, aber immer noch positives Wachstum von 0,1 Prozent, dem im ersten Quartal eine Wachstumserholung auf 0,6 Prozent folgen könne. Selbst eine Aufwärtsrevision des deutschen BIP könnte möglich sein. In diesem Fall dürften die Sorgen der Börsianer dann verpuffen und die Kurse wieder steigen.
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February 08, 2019 06:25 ET (11:25 GMT)
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