
BERLIN (Dow Jones)--Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat die Bundesregierung für das Durchdrücken der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 gegen Bedenken europäischer Partner kritisiert.
Wenn Deutschland mit der Europäische Union das Ziel einer gemeinsamen Außenpolitik vertreten und verfolgen wolle, dann könne man nicht aus dem Kuchen Außenpolitik ein Stück herausschneiden und sich von nationalen Interessen leiten lassen, sagte Ischinger bei einer Pressekonferenz zur diese Woche beginnenden 55. Münchener Sicherheitskonferenz.
Zudem gehe es nicht, dass ein deutscher Außenminister nach Washington reise und behaupte, man spreche in der Frage auch im Namen von anderen EU-Mitgliedern, wenn diese dann der amerikanischen Regierung später sagten, sie seien gegen Nord Stream 2.
Europa als "Sauhaufen"
"Das ist die beliebteste und erfolgreichste Methode" um den Amerikanern zu zeigen, "dass Europa ein Sauhaufen ist", sagte der frühere Top-Diplomat. Damit würde man den USA signalisieren, dass die europäische Seite es offenbar nicht ernst meine mit einer klaren außenpolitischen Linie.
Daher müsse man in Europa die Außenpolitik integral betrachten und nicht Themen wie Energiepolitik ausklammern.
In Europa hatte es in der Vergangenheit viel Kritik an der russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2 gegeben. Besonders osteuropäische Länder wie Polen und die baltischen Staaten hatten wiederholt an Berlin appelliert, das Projekt aufzugeben, da es die Abhängigkeit von russischem Gas erhöhen werde. Auch die Europäische Kommission hat wiederholt Vorbehalte geäußert. Mit ihrem ganzen Gewicht hatte Kanzlerin Angela Merkel die Röhre am Freitag durchgesetzt und mit geringen Zugeständnissen die EU-Mitglieder auf Linie gebracht.
Die Welt in Turbulenzen
In ihrem neusten Bericht beschreibt die Münchener Sicherheitskonferenz eine Welt in Unruhe. Die Periode nach dem Kalten Krieg und der damit verbundene Optimismus sei zu ihrem Ende gekommen.
"Angesichts der vorherrschenden strategischen Sichtweisen in Washington, Peking und Moskau scheinen sich Erwartungen einer neuen Ära der wettstreitenden Großmächte in eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu verwandeln", mahnt der Bericht. "Wenn sich jeder vorbereitet auf eine feindliche Welt, ist ihre Ankunft fast schon vorbestimmt."
Allerdings sei es unklar, wie genau der Wettstreit der Großmächte im 21. Jahrhundert aussehen wird und wo er besonders hartnäckig und risikoreich sein werde.
Bei dem Treffen in München werden ab Freitag hochkarätige Politiker wie beispielsweise Bundeskanzlerin Merkel, US Vize-Präsident Mike Pence, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der einflussreiche chinesische Politiker Yang Jiechi zusammenkommen. Andere Staats- und Regierungschefs wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu haben ihren Auftritt jedoch abgesagt.
Am Wochenende hatte Merkel in einer Videobotschaft die Bedeutung der Konferenz hervorgehoben. In Zeiten, in denen der Multilateralismus zur Debatte stehe, wolle sie sich "sehr stark dafür einsetzen, dass die multilateralen Strukturen weiterentwickelt werden - aber erhalten bleiben", so Merkel.
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February 11, 2019 06:18 ET (11:18 GMT)
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