BERLIN (Dow Jones)--Als Konsequenz aus der Flüchtlingskrise haben sich Unionspolitiker für eine schärfere Migrationspolitik ausgesprochen, um in Zukunft Migrationsströme besser steuern zu können. "Wir alle haben sehr deutlich gespürt, das was im September 2015 passiert ist, war eine absolute Ausnahmesituation", sagte CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Konrad-Adenauer-Haus. "Wir müssen alles daran setzen, dass sich so etwas wie 2015 nicht mehr wiederholt. Wir müssen deutlich machen: Wir haben unsere Lektionen gelernt."
Kramp-Karrenbauer sagte, das Asylrecht solle erhalten bleiben, aber nur für diejenigen, die es nötig hätten und nicht missbrauchten. "Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt", so Kramp-Karrenbauer zum Abschluss des Werkstattgespräch "Migration, Sicherheit und Integration" zur Flüchtlingspolitik.
Zuvor hatte die CDU seit Sonntag mit Migrationsexperten und Praktikern über Lehren aus der Flüchtlingskrise diskutiert. Die Fachpolitiker und Experten sprachen sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen, schnellere Abschiebungen von abgewiesenen Asylbewerbern, konsequente Sanktionierung von Fehlverhalten in ausländer- und asylrechtliche Verfahren und Vorschläge für eine bessere Integration der Neuankömmlinge aus.
Dazu kamen Vorschläge, die Attraktivität für illegale Migration zu verringern und die Daumenschrauben beim Thema Beschäftigung und Sozialleistung anzuziehen. Zu weiteren Schlussfolgerungen gehörten ein Wiedereinreiseverbot bei Abschiebungen und im Fall von Wiedereinreisen keine Sozialleistungen mehr zu zahlen. Die Vorschläge sollen nun in der CDU diskutiert und dann in das Wahlprogramm für die Europawahlen einfließen.
Die Gespräche fanden ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel statt, die auch von vielen in ihrer eigenen Partei für ihre Rolle in der Flüchtlingskrise kritisiert worden war. Das Offenhalten der Grenzen im Spätsommer 2015 und die fehlende Kontrollen von einreisenden Flüchtlingen hat großen Unruhe in der Union ausgelöst. Wahlforscher machten zudem die Flüchtlingspolitik von Merkel mitverantwortlich für das gute Abschneiden der AfD bei den letzten Bundestagswahlen.
Besonders zwischen Merkel und dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und heutigen deutschen Innenminister Horst Seehofer hatte es tiefe Differenzen über die Flüchtlingspolitik gegeben, die im vergangenen Jahr beinahe zum Auseinanderbrechen der Koalition geführt hatten.
Experten machten klar, dass die Flüchtlingskrise vom Herbst 2015 kein singuläres Ergebnis bleiben muss, so CDU-Politiker. Migrationsexperten erwarten für die nächsten Jahrzehnte einen Anstieg von Migration. Militärische Konflikte, das Bevölkerungswachstum in Afrika und Asien, der Klimawandel und die Knappheit an Ressourcen würden mehr Menschen auf die Flucht treiben. "Wir müssen uns auf das Gleiche vorbereiten. Nach der Krise ist vor der Krise", sagte CDU-Bundestagsabgeordneter Armin Schuster.
Vor dem Treffen war bei Kritikern von einem "Tribunal" oder von "Vergangenheitsbewältigung" die Rede die Rede gewesen. Aber Kramp-Karrenbauer machte deutlich, dass es um Lösungsansätze für einen besseren Umgang mit den Migrationsbewegungen ginge.
Dabei ging der CDU-Spitze bei der Präsentation weniger um eine Abrechnung mit Merkel, sondern wie bei der bei der SPD diskutierten Sozialreformen die Positionierung vor den Europawahlen in Mai und den wichtigen ostdeutschen Wahlen im Herbst. Besonders im Osten will die CDU mit einem schärferen Migrationskurs Wähler von der AfD zurückgewinnen. Umfragen sehen die AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen als zweitstärkste Partei. Manche Umfragen sehen sie sogar fast gleichauf mit der CDU.
Für die konservative Werteunion der CDU ging es bei dem Werkstattgespräch darum, wieder Vertrauen zurückzugewinnen und eine "Asylwende" einzuleiten, sagte der Chef der Werteunion, Alexander Mitsch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Kramp-Karrenbauer habe erkannt, dass sie die Asylwende einleiten müsse. "Gebremst wird sie dabei vom Kanzleramt und dessen Statthaltern. Ob sie dauerhaft den Respekt in der Partei und bei den Bürgern festigen kann, hängt nun davon ab, ob sie konkrete Maßnahmen entwickelt und auch durchsetzt", so Mitsch, der zu den Kritikern von Merkels Flüchtlingskurs gehört. "Die Werte-Union fordert eine Begrenzung und Steuerung der Einwanderung, damit unsere freiheitlich-europäische Gesellschaft langfristig Bestand hat."
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February 11, 2019 12:31 ET (17:31 GMT)
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