Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Banken des Euroraums haben nach Aussage eines Volkswirts in der Summe kein Zinsänderungsrisiko. EZB-Ökonom Peter Hoffmann weist in einem Aufsatz für den nächsten Wirtschaftsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) darauf hin, dass die Institute erstens einen beträchtlichen Teil ihrer Kredite variabel verzinsen und dass sie zweitens nicht um ihre Kundeneinlagen fürchten müssen.
Der Theorie zufolge unterliegen Banken vor allem einem Zinsänderungsrisiko, weil sie langfristige Kredite ausreichen, die kurzfristig finanziert sind. Diese sogenannte Fristentransformation macht sie anfällig für Zinsanstiege, weil der Barwert ihrer Forderungen anfälliger für Zinsänderungen ist als der Barwert ihrer Einlagen. Entsprechend sinkt der Nettowert eines Instituts bei steigenden Zinsen und steigt bei sinkenden Zinsen.
Hoffmann sagt in seinem Bericht: Für die Banken des Euroraums gilt das zumindest im Durchschnitt nicht. Hoffmann und einige Kollegen haben im Rahmen einer Studie 104 Großbanken des Euroraums untersucht und gefunden, dass die sogenannte Durationslücke von zwei Faktoren gemildert wird.
Erstens wird ein beträchtlicher Teil der Bankkredite zu variablen Zinsen begeben. Zinsänderungen haben also keine besonders großen Auswirkungen für den Wert dieser Kredite, selbst wenn sie lange Laufzeiten haben. Zweitens zeigten sich Bankeinlagen, besonders wenn sie von Privathaushalten stammen, eher unempfindlich für Zinsänderungen. Sie verhalten sich also wie langfristige Verbindlichkeiten.
Ein genauerer Blick zeigt, dass einige Banken von höheren Zinsen profitieren, während andere unter ihnen leiden. Zu welcher Gruppe sie gehören, hängt demnach wenig vom Geschäftsmodell, aber stark von dem Land ab, in dem sie operieren. Banken in "Festzins-Ländern" zeigen ein Fälligkeitsprofil, das dem oben beschriebenen klassischen Verständnis von Zinsrisiken entspricht. Länder, in denen variable Kreditzinsen dominieren, profitieren von steigenden Zinsen.
Die Autoren der Studie stellen ferner fest, dass sich Banken, die Festzinskredite ausreichen, nicht vollständig gegen Zinsänderungsrisiken absichern, obwohl das durchaus möglich wäre. Hoffmann und Kollegen führen das auf "wohlbekannte Friktionen an den Derivatemärkten" zurück.
Die Deutsche Bundesbank warnt schon seit Jahren vor erhöhten Zinsänderungsrisiken besonders für Volksbanken und Sparkassen. Zumindest die Leitzinsen werden aber noch eine Weile auf ihrem aktuellen sehr niedrigen Niveau bleiben. Die EZB rechnet derzeit offiziell mit unveränderten Zinsen bis mindestens Herbst dieses Jahres. An den Finanzmärkten wird eine Leitzinsanhebung für frühestens 2020 eingepreist.
Allerdings können höhere Zinsen auch aus anderen Gründen, zum Beispiel wegen unerwartet kräftiger Fed-Zinsen oder wegen eines plötzlichen Anstiegs der Risikoaversion, entstehen.
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February 25, 2019 08:17 ET (13:17 GMT)
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