
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bei einer Diskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ein Plädoyer für ein sozial ausgerichtetes Europa abgegeben und betont, die nötigen Maßnahmen ließen sich finanzieren. Scholz sah in einem in vielen Industrieländern zu beobachtenden "Verlust an Zuversicht ein bemerkenswertes Phänomen", denn es handele sich um die reichsten Länder der Welt.
"Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie es dazu kommen konnte, und wie wir bewirken können, dass das in Zukunft wieder anders wird", forderte der SPD-Politiker bei der Diskussionsveranstaltung der beiden Organisationen in Kooperation mit der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland zum Thema "Soziales Europa - Wer soll das bezahlen?".
Scholz trat für ein soziales Europa als Antwort darauf ein. "Nur eine Gesellschaft, die zusammenhält..., kann auch ihre Zuversicht behalten", betonte er. Die Finanzierung sozialer Fragen müsse deshalb auch künftig eine wichtige Rolle in der EU spielen. Diese ließen "sich schon irgendwie aus dem EU-Haushalt" finanzieren. "Natürlich kostet der soziale Zusammenhalt immer auch Geld, aber das soziale Europa lässt sich nicht auf Budgetfragen reduzieren", betonte der deutsche Vizekanzler. "Manchmal ist es vielleicht auch das Problem, dass wir uns zu sehr auf diese Frage konzentrieren."
An Maßnahmen forderte er Mindestlohnregimes auch in anderen Ländern der EU und kluge Regelungen zur Freizügigkeit. "Wir brauchen eine Vereinbarung darüber, dass es so etwas wie Mindestlöhne gibt", erklärte er. Es sei nötig, Mindeststandards zu definieren. In Deutschland habe man seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns "nur positive Erfahrungen gemacht", meinte der Finanzminister. Auch gelte es, bestehende Stabilisatoren in Europa auszubauen und zum Beispiel für Länder in Krisen auf eine Kofinanzierung europäisch geförderter Infrastrukturprojekte zu verzichten.
Scholz bekräftigte die deutsche Bereitschaft, nach dem Brexit mehr Mittel an den EU-Haushalt zu überweisen als bisher, und drang auf eine schnelle Verständigung auf ein neues Budget, um Förderlücken zu verhindern. Es gehe in den kommenden Wochen um "die Frage, wie viel mehr das ist, aber nicht um die Frage, ob es überhaupt mehr sein soll", sagte er mit Blick auf den deutschen Beitrag. "Dass wir deshalb alles bezahlen müssen, was man sich ausdenkt, ist auch nicht plausibel", hob er aber hervor. Hier werde es Gespräche geben müssen. Zum geplanten Eurozonen-Budget zeigte sich Scholz "überzeugt, dass wir bis zum Sommer so etwas wie eine Verständigung hinkriegen können".
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February 25, 2019 13:39 ET (18:39 GMT)
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