Von Sara Randazzo und Ruth Bender
SAN FRANCISCO (Dow Jones)---Der jüngste US-Gerichtsprozess in San Francisco um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup des Bayer-Konzers hat mit einem Streit um wissenschaftliche Aspekte begonnen und am ersten Tag für Aufruhr gesorgt. Bei dem am Montag begonnenen Verfahren geht es zum zweiten Mal um die Frage, ob Roundup, den der 70-Jährige Kläger Edwin Hardeman über mehr als drei Jahrzehnte in seinem Garten eingesetzt hat, für Lymphdrüsenkrebs verantwortlich ist. Im Fall Hardeman gibt es eine Besonderheit, der für Bayer positiv ist. Richter Vince Chhabria hat ihn auf Antrag von Bayer zweigeteilt.
Zunächst geht es nur um die Frage, ob Roundup tatsächlich ursächlich für die Krebserkrankung ist. Erst wenn die Geschworenen dies bejaht haben, wird in einer zweiten Phase mögliches Fehlverhalten der jetzigen Bayer-Tochter Monsanto geprüft, ob also der Konzern von den Risiken wusste und sie gezielt verschleiert hat. Diese Aufteilung des Prozesses sorgte dann auch schon am ersten Tag für Wirbel.
Verstoß gegen Prozessordnung
Bayer-Anwalt Brian Stekloff erklärte in seinem Eröffnungsplädoyer, Roundup habe den Krebs von Hardeman nicht verursacht. Mehr als 800 Studien hätten beweisen, dass das Produkt sicher sei. Es gebe andere Risikofaktoren in Hardemans Krankengeschichte, die als ursächlich erachtet werden sollten. Klägeranwältin Aimee Wagstaff erwiderte, sie werde alle wissenschaftlichen "Teile des Puzzles" präsentieren, die für die Bejahung der Frage nötig seien. US-Bundesrichter Vince Chhabria warf Wagstaff nach ihrer Rede aber vor, sich nicht an die vorgegebene Prozessordnung gehalten zu haben. Zudem sei sie vom festgelegten Thema abgewichen. Aber auch Stekloff wurde vom Richter an die kurze Leine genommen. Der Richter kritisierte, Ausschnitte aus der in der Präsentation enthaltenen Aussagen seien nicht geeignet, sie den Geschworenen vorzulegen.
Wagstaff führte die Geschworenen an drei Säulen der Wissenschaft heran, von denen sie sagte, dass diese ihre Argumentation stützen. Sie verwies auf epidemiologische Studien an Menschen, auf Tierversuche und Zellstudien. Die insgesamt neun Geschworenen bekamen zu hören, dass Hardeman ab Ende der 1980er Jahre rund 26 Jahre lang regelmäßig zwei Roundup-Arten zur Bekämpfung von Unkraut auf seinem Grundstück benutzte. Im Jahr 2015 wurde bei ihm das Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert. Er befinde sich nun in Remission.
Bayer hielt dagegen, dass Hardeman mehrere Risikofaktoren für das Non-Hodgkin-Lymphom gehabt habe, darunter die vorhergehende Kontraktion von Hepatitis C und B. Der Anwalt von Bayer führte weiter aus, dass Non-Hodgkin-Lymphom sei eine der häufigsten Krebsarten und die Ursache liege oft im Dunklen. Die bezahlten Experten, die eine Gefahr von Roundup testierten, hätten nie Patienten vor dem Unkrautvernichter gewarnt sowie auf Konferenzen über das Produkt gesprochen. "Sie wissen nicht, was den Krebs verursacht", sagte er mit Blick auf die Ärzte, die das Non-Hodgkin-Lymphom diagnostizieren.
Musterfall in einem Massenverfahren
Der aktuelle Prozess in San Francisco ist ein "Bellwether Case" genannter Musterfall in einem Massenverfahren, er gilt als richtungsweisend für viele weitere Klagen.
Das Breitbandherbizid Roundup ist aus der modernen Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Für den Agrarkonzern Monsanto, der inzwischen zum Bayer-Konzern gehört und der dazu passend Saatgüter gezüchtet hat, die gegen das Pflanzengift resistent sind, ist es ein zentrales Produkt. Nach vier Jahrzehnten im Einsatz steht es jedoch im Verdacht, krebserregend zu sein, seit die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) im März 2015 seinen Wirkstoff Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat. Bayer hält dagegen, dass in 800 Studien die Unbedenklichkeit bestätigt worden sei und verweist darauf, dass keine der Zulassungsbehörden bisher Bedenken hat.
Trotzdem hatte im vergangenen Sommer ein Geschworenengericht in San Francisco einem krebserkrankten Hausmeister insgesamt 289 Millionen Dollar Schadensersatz zuerkannt. Die zuständige Richterin kürzte nach Intervention von Bayer die Entschädigung zwar auf 78 Millionen Dollar, das Urteil aber bestätigte sie. Seitdem ist klar: Die Klagen - bislang liegen US-weit 9.300 vor - sind für Bayer ein unkalkulierbares Risiko. Die Bayer-Aktie hat deshalb ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Der Ausgang des zweiten Verfahrens könnte die Frage beantworten, ob die Nervosität der Märkte berechtigt ist.
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February 26, 2019 02:25 ET (07:25 GMT)
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