Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach Ansicht von ING theoretisch durchaus noch Spielraum, ihre Geldpolitik zu lockern, sie würde ihn praktisch aber kaum nutzen können. Im Falle eines ernsthaften Abschwungs müssten deshalb wohl die Finanzminister der Euro-Staaten ihre Kassen öffnen, um Wachstumsimpulse zu setzen, meint ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Wie wahrscheinlich ist es, dass es so weit kommt?
"Man muss zugeben, dass die Lage im Euroraum recht wacklig ist, was vor allem an Deutschland liegt", sagt Brzeski. Deshalb würde er nicht ausschließen, dass sich die EZB zu Mitte dieses Jahres genötigt sieht, ihre Geldpolitik zu lockern. Brzeski hat dabei folgende Maßnahmen im Sinn:
1. Die EZB könnte ihre Zins-Guidance dergestalt ändern, dass sie den Zeitpunkt einer ersten Zinserhöhung auf Ende 2020 verschiebt. Außerdem könnte sie konkretere Aussagen über die Dauern der Wiederanlage von Erträgen aus fälligen Anleihen machen.
2. Für den Fall einer deutlicheren Eintrübung könnte die EZB den Einlagensatz weiter senken. "Zumindest in der jetzigen Konstellation mit einem Präsidenten Draghi besteht eine gewisse Aussicht darauf, dass die EZB nochmal in Aktionismus verfällt", sagt Brzeski.
3. "Wenn es richtig bitter wird", wie der Ökonom sagt, könnte die EZB versuchen, die Politik des Quantitative Easing (QE) wieder aufzunehmen, wobei sie durch bestimmte Obergrenzen wie das Emissions- und das Emittentenlimit behindert wäre. Laut Brzeski könnte sie zunächst mehr Anleihen supranationaler Institute kaufen, wenn es nicht anders geht, aber auch Aktien. "Das ist aber extrem unwahrscheinlich. Die EZB hat zwar in der Theorie alle Möglichkeiten, aber in der Praxis sind ihr die Hände doch sehr gebunden."
Sein Tipp: Im Falle einer Rezession werden Impulse von der Fiskalpolitik kommen müssen, wobei die Wahrscheinlichkeit entschlossener Maßnahmen mit der Schwere des Abschwungs zunehmen würde. Er kalkuliert:
"Bei einem schleichenden Abschwung, so wie jetzt, wird in den Ländern, die finanziellen Spielraum haben, der Widerstand dagegen, ihn zu benutzen, groß sein. In den südeuropäischen Ländern wird dagegen die Neigung zunehmen, den nicht existierenden Spielraum auszunutzen, was wiederum zu Spannungen in Brüssel führen würde." Für einen entschlossenen Einsatz der Fiskalpolitik bräuchte es deshalb wohl "eine fette Rezession", meint Brzeski.
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March 12, 2019 05:06 ET (09:06 GMT)
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