Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat wie zuvor andere Konjunkturinstitute seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft gesenkt, bleibt aber nach eigenen Angaben "optimistisch" für den weiteren Konjunkturverlauf. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt nach der neuen Prognose der Berliner Ökonomen dieses Jahr um voraussichtlich 1,0 Prozent und 2020 um 1,8 Prozent.
Zwar habe das DIW die Prognose für dieses Jahr im Vergleich zum Winter um 0,6 Prozentpunkte gesenkt - "im Vergleich zu den meisten anderen Prognosen ist der Ausblick aber optimistisch", hob das Institut hervor. Für 2020 sei keine Korrektur vorgenommen worden. Insgesamt wird die deutsche Wirtschaft damit nach der Analyse der Wirtschaftswissenschaftler "in diesem und im kommenden Jahr mit soliden Wachstumsraten aufwarten".
In erster Linie sei die Weltwirtschaft dafür verantwortlich, dass sich die deutsche Konjunktur dieses Jahr deutlich abkühle, hoben die Ökonomen hervor. Die Weltwirtschaft werde unter anderem durch die konjunkturelle Schwäche Chinas belastet, aber auch durch die Handelskonflikte zwischen den USA, China und der Europäischen Union sowie durch die Unsicherheit um den Brexit. "All das trifft in besonderem Maße die auf den Investitionsgüterexport spezialisierte deutsche Wirtschaft."
Hinzu komme, dass die Wachstumsdynamik vielerorts zunehmend vom Konsum statt von Investitionen getragen werde. Deswegen falle die deutsche Exportdynamik sogar noch hinter das Tempo der schwächelnden Weltwirtschaft zurück.
Der Wind kann schnell drehen
Die Binnenwirtschaft stützt nach der Analyse des DIW die deutsche Wirtschaft aber auch in diesem Jahr. Nicht zuletzt die Beschlüsse der großen Koalition kurbelten den privaten Konsum an. So habe die Bevölkerung durch die wieder hergestellte paritätische Finanzierung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung seit Anfang des Jahres spürbar mehr Geld im Portemonnaie.
Der Arbeitsmarkt entwickele sich "ohnehin schon prächtig", konstatierten die Ökonomen. Der Beschäftigungsaufbau gehe nahezu ungebremst weiter, und die Arbeitslosenquote dürfte dieses Jahr mit 4,8 Prozent und kommendes mit 4,5 Prozent erstmals seit der Wiedervereinigung unter die Fünf-Prozent-Marke fallen. Die Zahl der Arbeitslosen wird nach der Prognose 2019 auf 2,171 Millionen und 2020 auf 2,044 Millionen sinken. Die Reallöhne stiegen auch dank einer wieder geringeren Inflation von voraussichtlich 1,5 Prozent in diesem Jahr und 1,7 Prozent im nächsten "recht kräftig".
Das DIW warnte aber, man dürfe nicht übersehen, "dass die Lage vergleichsweise fragil ist und der Wind schnell drehen kann". In Europa bereitet vor allem die italienische Wirtschaft Sorgen. Auch China habe sich zuletzt eher schwach gezeigt, und Ungemach zeichne sich in Form eines neuerlichen Aufflammens des Konflikts zwischen der EU und den USA um Automobilexporte ab. Auch die Turbulenzen rund um den Brexit sein nicht hilfreich. Umso wichtiger wäre es nach Ansicht des DIW, "jetzt endlich verstärkt in die Zukunft" zu investieren.
"Die Konjunktur in Deutschland kühlt sich ab, aber das ist kein Weltuntergang", betonte Institutspräsident Marcel Fratzscher. "Wir sollten nicht zu schwarz malen, denn vor allem auf dem Arbeitsmarkt sieht es nach wie vor hervorragend aus, und auch der private Konsum ist stark." Seine Sorge sei aber, dass die deutsche Wirtschaft "nicht zukunftsfest" sei. Deshalb forderte er mehr Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung sowie Forschung und Entwicklung. "Das ist eine Frage der Prioritäten, und die sollten mehr auf Investitionen als auf staatlichem Konsum oder Steuersenkungen liegen", erklärte Fratzscher.
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March 14, 2019 06:11 ET (10:11 GMT)
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