FRANKFURT (Dow Jones)--Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben am Sonntag nach monatelangen Spekulationen offiziell "ergebnisoffene" Fusionsgespräche angekündigt. Kommentare und Einschätzungen dazu aus Politik und Wirtschaft:
EU-Haushaltskommissar Oettinger traut Deutscher Bank Alleingang zu
Laut EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat die Deutsche Bank das Potenzial, ihren Weg alleine zu gehen. Dazu brauche der Deutsche-Bank-Chef aber noch Zeit. "Meiner Meinung nach hat Christian Sewing eine gute Chance, die Deutsche Bank zu stabilisieren. Das ist ein Prozess, der fünf Jahre dauert", sagte Oettinger dem Euro Finance Magazin im Interview. "Ein Schutzzaun der Bundesregierung ist da weder notwendig noch hilfreich." Fakt sei aber, dass die deutsche Industrie eine Bank brauche, "die sie in die Welt begleiten kann."
Grüne finden das Finanzministerium unglaubwürdig
Die Grünen haben das Verhalten des Finanzministeriums hart kritisiert. "Es ist mehr als unglaubwürdig, dass das Finanzministerium die eigene Rolle beim Vorantreiben einer möglichen Fusion jetzt herunterspielt", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk. "Finanzminister Scholz hat seine Großbankfantasien nie hinter dem Berg gehalten und das Finanzministerium war offensichtlich sehr bemüht um eine Lösung für die Deutsche Bank." Es sei erschreckend, wie leichtfertig Scholz die erheblichen Risiken in Kauf nehme, die "ein solch instabiles Megakonstrukt für unser Finanzsystem und für die Bürgerinnen und Bürger darstellen" würde. Die Regierung habe entweder gar keine Lehren aus der Finanzkrise gezogen "oder sie schon wieder vollständig vergessen".
BDI: Nur Schaffung stärkerer Institution ist zielführend
Für die deutsche Industrie macht ein Zusammenschluss der Deutschen Bank und der Commerzbank nur Sinn, wenn am Ende ein stärkeres Finanzinstitut entsteht. "Die deutsche Industrie braucht auch künftig starke heimische Banken als Partner im nationalen und weltweiten Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäft", erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). "Gespräche über einen Zusammenschluss in der deutschen Bankbranche müssen mit offenem Ergebnis geführt werden. Nur wenn das Zusammengehen eine stärkere Institution schafft, ist es zielführend." Der BDI verwies auf die hohe Anzahl von 1.800 Banken, Sparkassen und Volksbanken in Deutschland. Die Institute würden wegen des hohen Wettbewerbsdrucks niedrige Rentabilität einfahren und die Konsolidierungswelle im deutschen Finanzsektor werde daher weitergehen.
Kukies: Haben uns nie für Bankenfusionen eingesetzt
Die Bundesregierung nimmt nach Aussage von Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, eine neutrale Position zu den Gesprächen über einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank ein. Am Rande einer Veranstaltung in Frankfurt sagte Kukies: "Wir haben immer nur gesagt, dass wir einen starken Bankensektor wollen." Die Bundesregierung habe jedoch nie gesagt, dass sie irgendwelche Fusionen befürworte. "Das ist wohl immer absichtlich missverstanden worden", sagte Kukies. Die Bundesregierung könne niemanden zu etwas zwingen.
SPD-Wirtschaftsforum begrüßt Sondierungsgespräche
Das Wirtschaftsforum der SPD begrüßt die Aufnahme von Sondierungsgesprächen über eine mögliche Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank. "Die deutsche Wirtschaft braucht ein global operierendes Bankhaus, das in der Topliga der international führenden Banken mitspielt", erklärt Harald Christ, Mitglied im Präsidium des Wirtschaftsforums der SPD. "Ob die beiden Schwergewichte in Zukunft tatsächlich zusammengehen, entscheiden die Führungsgremien anhand der Wachstums- und Profitabilitätsaussichten. Klar ist aber: Beide Institute stehen heute wesentlich besser da als vor der Finanzkrise von 2008 - Stichwort Eigenkapital. Von einer Notfusion kann keine Rede sein."
BMF-Sprecher: Es handelt sich um privatwirtschaftliche Unternehmen
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hält sich beim Thema Deutsche Bank und Commerzbank zurück. "Es handelt sich um die Entscheidung zweier privatwirtschaftlicher Unternehmen", in Gespräche über eine Fusion einzusteigen, sagte Ministeriumssprecher Steffen Hebestreit in der Bundespressekonferenz. "Wir als Bundesfinanzministerium nehmen das zur Kenntnis." Die Gespräche würden vom Ministerium nicht begleitet. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung werde die Gespräche "aufmerksam beobachten".
Kanzleramtschef: Regierung schaut auf Arbeitsplätze
Die Bundesregierung macht ihre Haltung zu einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank vor allem von einem Erhalt von Arbeitsplätzen abhängig. "Wir schauen natürlich auf die Zukunft der Arbeitsplätze, um die es geht", sagte Kanzleramts-Chef Helge Braun im Bild-Talk. Wenn es zu tausenden Arbeitsplatzverlusten käme, "dann ist das natürlich ein schwieriger Befund", so der Minister. "Eine Regierung ist bei einem Vorhaben dieser Größenordnung nie passiv." Eine Fusion der beiden Banken sei "keine systemische Frage für Deutschland, sondern eine wirtschaftliche Frage von zwei Unternehmen", fügte er hinzu.
Analyst Hein: Fusion rechnet sich nur bei massivem Stellenabbau
Nach Ansicht von Analyst Dieter Hein rechnet sich für die Deutsche Bank eine Fusion nur bei einem massiven Stellenabbau, vor allem bei der Commerzbank. "Und je nachdem wie hoch die Schmerzgrenze jeweils ist, ist es wahrscheinlicher oder nicht wahrscheinlich", sagte er dem Sender N-tv. "Und das wäre auch nicht die erste Übernahme der Deutschen Bank innerhalb von Deutschland, die letztendlich scheitert."
Lindner warnt vor zu viel staatlicher Einmischung
FDP-Chef Christian Lindner plädiert für einen Rückzug des Staates aus der Commerzbank. "Deutschland braucht eine starke private Bank, aber diese Bankenfusion muss im Interesse der Kunden und Eigentümer stehen. Die darf nicht vom Staat herbeigeredet werden", sagte er dem Sender N-tv. Er erwartet von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), "dass er diese Fusionsgespräche nutzt, um die Commerzbank zu privatisieren".
Verdi-Chef sieht 20.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Verdi-Chef Frank Bsirske lehnt eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ab. "Mir leuchtet die Sinnfälligkeit dieser Fusion im Moment überhaupt nicht ein", sagte der Gewerkschafter, der auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt, der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. "Deutsche Bank und Commerzbank ergänzen sich nicht sinnvoll", sagte er. "Da würden 20.000 Arbeitsplätze und mehr im Feuer stehen."
Monopolkommission befürchtet höheres Systemrisiko
Die Monopolkommission sieht bei einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank weniger Wettbewerbs- als Stabilitätsprobleme. "Einiges deutet darauf hin, dass die Kartellbehörden den Zusammenschluss, gegebenenfalls unter Auflagen, freigeben würden", sagte Achim Wambach, Chef des Wirtschaftsinstituts ZEW und der Monopolkommission der Rheinischen Post. Er fürchtet eher, dass die neue Bank wegen ihrer Größe zu einem Systemrisiko werden könnte. "Durch den Zusammenschluss entsteht möglicherweise eine neue Bedrohung für die Finanzwelt, nämlich durch einen Anstieg des Systemrisikos."
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March 18, 2019 12:14 ET (16:14 GMT)
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