Von Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Unkrautvernichter Glyphosat wird auch für den Bayer-Konzern immer mehr zu einer Gefahr. Nachdem im Schadensersatzverfahren eines 70-jährigen Rentners vor einem Bundesgericht in San Francisco eine Jury nach fünftägiger Beratung am Dienstag zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Gebrauch des Mittels ein wesentlicher Faktor für die Krebserkrankung des Klägers war, stürzte die Bayer-Aktie am Mittwoch erneut ab.
Dabei haben die sechs Laienrichter noch nicht einmal entschieden, ob Bayer dafür haftbar zu machen ist und deshalb zahlen muss. Das soll erst im zweiten Teil des Prozesses geschehen. Dennoch reagierten Anleger ähnlich wie schon nach dem ersten Prozess im vergangenen Sommer und verkauften das Papier. Am Morgen notierte die Bayer-Aktie 12 Prozent im Minus. Als DAX-Schwergewicht zieht das Papier den gesamten Leitindex ins Minus.
Goldman Sachs schrieb in einer vor Handelsbeginn verbreiteten Schnelleinschätzung, es sei damit zu rechnen, dass Investoren das Jury-Votum zu Ed Hardeman als Vorentscheidung für 765 weitere, ähnlich gelagerte Fälle gegen Bayer nehmen werden. Sie sind zwar vor anderen Bundesgerichten in den USA anhängig, wurden vom zuständigen Richter im Fall Hardeman aber gemeinschaftlich vorbereitet. Der Fall Hardeman gilt als Bellwether-Prozess - also als Leit-Prozess. Vor diesem Hintergrund könnten die Folgen für die Bayer-Aktie "könnten erheblich sein", warnte Goldman.
Im vergangenen Sommer hatte eine Jury ebenfalls in Kalifornien Bayer zu einer Strafzahlung von 289 Millionen Dollar an einen krebskranken Hausmeister verdonnert. Die Summe wurde später auf 78 Millionen Dollar gesenkt, die Richterin bestätigte jedoch, dass Glyphosat für den Krebs des Klägers ursächlich sei. Bayer ist gegen das Urteil in Berufung gegangen; der Konzern büßte in den folgenden Monaten ein Drittel seines Börsenwertes ein.
Anleger hatten gehofft, dass der zweite Prozess eine Trendwende bringen könnte, zumal der zuständige Richter das Verfahren zweigeteilt hatte und zunächst ausschließlich die Frage erörtern ließ, ob der Lymphdrüsenkrebs des Klägers ursächlich auf das unter dem Namen Roundup vertriebene Breitbandherbizid zurückzuführen ist. Dies war für Bayer vorteilhaft, weil die emotionale Debatte nach dem schuldhaften Verhalten damit zunächst keine Rolle spielte.
Die Marktstimmung gegenüber Bayer dürfte sich nach der Entscheidung in der ersten Prozessphase deutlich eintrüben, glauben die Analysten von Citi. Dabei sei in der Notierung von Bayer bereits ein Prozessrisiko von rund 22 Milliarden Euro enthalten. Möglicherweise seien die beiden Fälle in Kalifornien auch nicht repräsentativ, so die Analysten von Citi. Sie empfehlen Investoren auf, ein Verfahren abzuwarten, das in St. Louis geführt wird, wo Monsanto sitzt.
Allerdings rechnet auch Citi nicht so bald mit einer Trendwende. "Die Aktiennotierung wird wahrscheinlich so lange gedrückt bleiben, bis es klare Anzeichen dafür gibt, dass Bayer in einem oder mehreren der sechs Fälle, die 2019 vor Gericht gehen, obsiegen wird", schreiben ihre Analysten.
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March 20, 2019 05:31 ET (09:31 GMT)
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