Von Matina Stevis-Gridneff
ADDIS ABEBA (Dow Jones)--Bei der im März abgestürzten Boeing 737 Max von Ethiopian Airlines scheint das automatisierte System zur Verhinderung eines Strömungsabrisses aktiviert gewesen zu sein. Davon gehe er aus, sagte der Chef der Fluggesellschaft, Tewolde Gebremariam, dem Wall Street Journal und äußerte damit als erster mit dem Unglücksflug direkt vertrauter Branchenvertreter diese Vermutung ausdrücklich.
Das Flugkontrollsystem mit dem Namen Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) war auch bei einem anderen Flugzeugabsturz einer 737 Max von Lion Air in Indonesien im vergangenen Jahr bei den Ermittlungen in den Fokus geraten.
Die Ermittler werten zurzeit den Flugschreiber mit Flugdaten und Aufzeichnungen aus dem Cockpit aus und könnten noch in dieser Woche einen vorläufigen Bericht vorlegen. Gebremariam ist an diesen Untersuchungen selbst nicht beteiligt, ist aber mit vielen Aspekten des nur sechsminütigen Fluges vertraut, bei dessen Absturz kurz nach dem Start in Addis Abeba am 10. März alle 157 Menschen an Bord ums Leben kamen.
Der Airline-Chef führte nicht näher aus, wie er zu seiner Feststellung über MCAS gekommen ist. Gebremariam hat einen Zugang zu den genauen Daten des Flugschreibers, aber er hat sich die Aufzeichnungen der Gespräche zwischen dem Cockpit und dem Tower am Flughafen Addis Abeba angehört.
"Nach unserem besten Wissen", wurde MCAS auf dem Flug aktiviert, sagte Gebremariam dem Wall Street Journal und fügte hinzu, er wolle wegen schlüssiger Beweise auf den Untersuchungsbericht warten.
Die Luftfahrtbehörden haben Ähnlichkeiten zwischen den beiden kurzen Flügen der äthiopischen Maschine und des im Oktober in Indonesien abgestürzten Lion-Air-Jets festgestellt, die auf Flugdaten wie Höhe und Geschwindigkeit beruhen. Auf Basis dieser Ähnlichkeiten ordneten Aufsichtsbehörden weltweit ein Flugverbot für das Boeing-Modell an.
Boeing war nicht umgehend für eine Stellungnahme zu erreichen.
Der Konzern hatte zuvor erklärt, seine Max sei sicher. Nachdem Ermittler zu dem Schluss gekommen waren, dass das System zu dem Absturz der Lion-Air-Maschine beigetragen haben könnte, bei dem alle 189 Menschen an Bord ums Leben kamen, versprach Boeing seine Flugkontrollsysteme, auch MCAS, grundlegend zu überarbeiten. Die Ermittler haben Fragen zur Wartung des Flugzeugmodells und zu den Handlungen der Piloten aufgeworfen.
Trotz dieser Zusage werde es für Boeing "sehr schwierig" werden, das Vertrauen in die 737 Max wieder herzustellen, sagte Gebremariam weiter. Der CEO wollte aber nicht so weit gehen, zu sagen, dass seine Airline ihre Bestellung von 25 weiteren Maschinen dieses Modells stornieren werde. In einer Pressemitteilung vom Montag wird Gebremariam mit den Worten zitiert, Ethiopian Airlines "glaubt an Boeing".
Allerdings hätte Boeing seine Kunden über das Assistenzsystem MCAS "proaktiver" informieren müssen, vor allem nach dem ersten Unglück, so der CEO.
MCAS wurde entwickelt, um zu vermeiden, dass ein Flugzeug in einen Strömungsabriss gerät, wodurch die Piloten die Kontrolle verlieren können. Der Boardcomputer errechnet einen drohenden Strömungsabriss unter anderem auf Basis von Daten der Anströmwinkelsensoren, dann trimmt er die Flugzeugspitze der 737 MAX automatisch nach unten. Doch auf dem Lion-Air-Flug wurde MCAS laut den Unfallermittlern von einem Sensor mit falschen Informationen versorgt, was dazu führte, dass das System versagte. Das System drückte wiederholt die "Nase" des Flugzeugs nach unten, obwohl keine Gefahr drohte.
Es sei unklar, "ob und wann" Ethiopian Airlines die 737 Max wieder in Betrieb nehme, sagte Gebremariam.
(Mitarbeit: Robert Wall)
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March 25, 2019 09:59 ET (13:59 GMT)
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