Stuttgart (ots) - Als wichtigstes Forum für Vielfalt in Deutschland hat SWR Intendant Peter Boudgoust das Medienforum Migration bezeichnet, zu dem mehr als 160 Medienschaffende, Wissenschaftler und Politikerinnen sowie VertreterInnen von Migrantenorganisationen am 26. März 2019 in das SWR Funkhaus nach Stuttgart gekommen sind.
"Was genau heißt gesellschaftlicher Zusammenhalt?", fragte eingangs Anna Koktsidou, die SWR Beauftragte für Vielfalt und Integration. Zusammenhalt sei nicht statisch und auch nicht unbedingt harmonisch, betonte Staatsministerin Annette Widmann-Mauz in ihrem Vortrag. Reibung erzeuge Wärme. Etwas Gutes entstehe dabei erst durch das einigende Band des Grundgesetzes. Den vielfältigen Integrationsmaßnahmen müsse weiterhin das Prinzip "fördern und fordern" zugrunde liegen.
Der Konflikt- und Gewaltforscher Prof. Andreas Zick präsentierte Ergebnisse seiner Langzeitstudie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland: Menschen, die eine gesellschaftliche Gruppe ablehnten, neigten auch dazu, andere Gruppen abzulehnen. Nach seiner Untersuchung gehe damit außerdem ein Abbau von demokratischen Werten einher. Auf die Frage, was die Gesellschaft für ihren Zusammenhalt braucht, nennt er fünf Elemente: eine Willkommenskultur, klare Zugehörigkeitskriterien und Rechte, zudem Toleranz und Integrationsorientierung. Letztere werde durch Vorurteile abgebaut. Deshalb müsse man Maßnahmen fortführen, die nachgewiesenermaßen Vorurteile bremsen - z.B. im Bildungsbereich.
Persönliche Erfahrungen und Reaktionen auf den Anschlag in Christchurch "Was hält uns zusammen und wie halten wir das fest?" war die anschließende Diskussion übertitelt. SWR-Moderatorin Susanne Babila fragte die Podiumsgäste zunächst, was sie selbst in punkto Zugehörigkeit erlebt haben. Spiegel-Korrespondent Hasnain Kazim sagte, angesichts seiner dunklen Haut werde er häufig nach seiner Herkunft gefragt. Grundsätzlich sei das Interesse legitim. Doch keiner habe ein Anrecht darauf, jederzeit seine Familiengeschichte zu erfahren. Wenn er mit seinem deutschen Geburtsort antworte und dennoch weiter gefragt werde, empfinde er dies als übergriffig. MDR-Reporterin Ine Dippmann wurde 2016 bei einer Legida-Demonstration von einer Frau geschlagen. Sie erklärt sich die starke rechtspopulistische Bewegung mit der Enttäuschung über eine nicht gelungene Zugehörigkeit. Die Medien haben beim Thema Zusammenhalt eine große Verantwortung, waren sich alle Podiumsgäste einig. Allerdings stellte Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, fest, habe es nach der gewalttätigen Silvesternacht von Köln über 30 Diskussionssendungen in ARD und ZDF gegeben, während er nach dem Attentat von Christchurch keine gesehen habe. SWR Chefredakteurin Gabi Biesinger wie auch Staatsministerin Widmann-Mauz zeigten sich vom Verhalten der neuseeländischen Premierministerin beeindruckt, die sich umgehend mit den Opfern solidarisiert habe. Prof. Andreas Zick fügte hinzu, auch Norwegen habe sich nach dem Breivik-Attentat gefragt, wie ein Mensch aus den eigenen Reihen zu einer solchen Gewalttat gekommen sei und was dies über die eigene Gesellschaft aussage. Diese Kultur der Selbstreflexion vermisst der Konfliktforscher in Deutschland: "Wir neigen dazu, nach staatlichen Regeln zu rufen, zu delegieren und zu bürokratisieren".
Das Medienforum Migration hat sich in den über 30 Jahren seines Bestehens zu einer der größten Fachtagungen zum Themenbereich Migration und Medien entwickelt. Alle zwei Jahre treffen sich beim SWR in Stuttgart Medienschaffende, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik, von Migrantenorganisationen, den Kommunen, des Kulturbereichs oder interessiertes Publikum, um über aktuelle Entwicklungen zu sprechen.
OTS: SWR - Südwestrundfunk newsroom: http://www.presseportal.de/nr/7169 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_7169.rss2
Pressekontakt: Wolfgang Utz, Tel. 0711 929 11030, wolfgang.utz@SWR.de
"Was genau heißt gesellschaftlicher Zusammenhalt?", fragte eingangs Anna Koktsidou, die SWR Beauftragte für Vielfalt und Integration. Zusammenhalt sei nicht statisch und auch nicht unbedingt harmonisch, betonte Staatsministerin Annette Widmann-Mauz in ihrem Vortrag. Reibung erzeuge Wärme. Etwas Gutes entstehe dabei erst durch das einigende Band des Grundgesetzes. Den vielfältigen Integrationsmaßnahmen müsse weiterhin das Prinzip "fördern und fordern" zugrunde liegen.
Der Konflikt- und Gewaltforscher Prof. Andreas Zick präsentierte Ergebnisse seiner Langzeitstudie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland: Menschen, die eine gesellschaftliche Gruppe ablehnten, neigten auch dazu, andere Gruppen abzulehnen. Nach seiner Untersuchung gehe damit außerdem ein Abbau von demokratischen Werten einher. Auf die Frage, was die Gesellschaft für ihren Zusammenhalt braucht, nennt er fünf Elemente: eine Willkommenskultur, klare Zugehörigkeitskriterien und Rechte, zudem Toleranz und Integrationsorientierung. Letztere werde durch Vorurteile abgebaut. Deshalb müsse man Maßnahmen fortführen, die nachgewiesenermaßen Vorurteile bremsen - z.B. im Bildungsbereich.
Persönliche Erfahrungen und Reaktionen auf den Anschlag in Christchurch "Was hält uns zusammen und wie halten wir das fest?" war die anschließende Diskussion übertitelt. SWR-Moderatorin Susanne Babila fragte die Podiumsgäste zunächst, was sie selbst in punkto Zugehörigkeit erlebt haben. Spiegel-Korrespondent Hasnain Kazim sagte, angesichts seiner dunklen Haut werde er häufig nach seiner Herkunft gefragt. Grundsätzlich sei das Interesse legitim. Doch keiner habe ein Anrecht darauf, jederzeit seine Familiengeschichte zu erfahren. Wenn er mit seinem deutschen Geburtsort antworte und dennoch weiter gefragt werde, empfinde er dies als übergriffig. MDR-Reporterin Ine Dippmann wurde 2016 bei einer Legida-Demonstration von einer Frau geschlagen. Sie erklärt sich die starke rechtspopulistische Bewegung mit der Enttäuschung über eine nicht gelungene Zugehörigkeit. Die Medien haben beim Thema Zusammenhalt eine große Verantwortung, waren sich alle Podiumsgäste einig. Allerdings stellte Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, fest, habe es nach der gewalttätigen Silvesternacht von Köln über 30 Diskussionssendungen in ARD und ZDF gegeben, während er nach dem Attentat von Christchurch keine gesehen habe. SWR Chefredakteurin Gabi Biesinger wie auch Staatsministerin Widmann-Mauz zeigten sich vom Verhalten der neuseeländischen Premierministerin beeindruckt, die sich umgehend mit den Opfern solidarisiert habe. Prof. Andreas Zick fügte hinzu, auch Norwegen habe sich nach dem Breivik-Attentat gefragt, wie ein Mensch aus den eigenen Reihen zu einer solchen Gewalttat gekommen sei und was dies über die eigene Gesellschaft aussage. Diese Kultur der Selbstreflexion vermisst der Konfliktforscher in Deutschland: "Wir neigen dazu, nach staatlichen Regeln zu rufen, zu delegieren und zu bürokratisieren".
Das Medienforum Migration hat sich in den über 30 Jahren seines Bestehens zu einer der größten Fachtagungen zum Themenbereich Migration und Medien entwickelt. Alle zwei Jahre treffen sich beim SWR in Stuttgart Medienschaffende, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik, von Migrantenorganisationen, den Kommunen, des Kulturbereichs oder interessiertes Publikum, um über aktuelle Entwicklungen zu sprechen.
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