
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rechnet nach dem Brexit wegen des dann größeren Gewichts des Euro mit einem wachsenden Interesse an einem Beitritt zur Eurozone. "Wenn das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen haben wird - leider -, dann wird es so sein, dass, ich glaube, 86 Prozent des Sozialproduktes direkt in Euro entstehen", sagte Scholz bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsforschungsinstitutes IMK.
"Das wird auch eine Wirkung auf die Übrigen haben", erwartete er. "Die Eurozone wird schneller wachsen, als mancher hier und da denkt", sagte Scholz bei dem "IMK Forum 2019". Bei der Diskussion zum Thema "Germany First? Wie geht es weiter mit der europäischen Integration?" sah der deutsche Vizekanzler eine weitere deutliche Auswirkung des "bedauernswerten Brexit" auf die EU. Dann werde eintreten, wovor sich viele lange Zeit gefürchtet hätten: "ein geeintes starkes Deutschland mittendrin".
Als Reaktion forderte Scholz, Deutschland müsse verstehen, dass das deutsche nationale Interesse "eine gelingende europäische Integration" sei, und "Verantwortung für den Fortschritt und die Kompromissbildung" übernehmen. Die Bundesregierung dürfe in Brüssel "nicht als jemand mit einseitigem Interesse auftreten", mahnte Scholz. "Wir müssen schon den europäischen Mehrwert des Konsenses und des Fortschritts mit zustande bringen", forderte der Finanzminister.
Europa müsse international "Souveränität" erreichen, mahnte Scholz auch. Als Beispiele verwies er auf die gemeinsame Sicherung der Außengrenzen, eine Weiterentwicklung des Binnenmarktes so, "dass europäische Champions neu entstehen können, die weltweit aktiv sind", eine Vollendung der Bankenunion und Elemente für eine wirtschaftliche und fiskalische Integration. Scholz plädierte erneut für "vernünftige Mindestlöhne" in allen Ländern und ein Rückversicherungssystem für die nationalen Arbeitslosensysteme.
Einer der Gründe für die Wachstumsschwäche Italiens sei es, dass es in dem Land keinen Schutz gegen Langzeitarbeitsosigkeit gebe, hob er hervor. Den Umgang der EU mit dem Land in der jüngsten Budgetkrise nannte er "angemessen" und forderte, man dürfe "Italien auch nicht so schlecht reden" wie manche. "Norditalien ist unverändert eine Perle ökonomischer Kraft", betonte der SPD-Politiker. Das Wichtigste, was das Land brauche, sei aber ein funktionierendes Rechtssystem, denn ein Land mit derart langen Prozessstrukturen werde immer Probleme haben.
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March 27, 2019 14:53 ET (18:53 GMT)
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