Von Olaf Ridder, Ruth Bender und Sara Randazzo
SAN FRANCISCO/FRANKFURT (Dow Jones)--Bayer ist erneut zu einer hohen Schadensersatzzahlung für seinen Unkrautvernichter Roundup verdonnert worden. Vor einem Bundesdistriktgericht in San Francisco entschied die Jury, dass Bayer für den Lymphdrüsenkrebs des Klägers Ed Hardeman verantwortlich ist, und verurteilte den Konzern deshalb zu einer Schadenszahlung von 80,3 Millionen Dollar.
Vor einer Woche hatte dieselbe sechsköpfige Jury aus Laienrichtern zunächst befunden, dass das Herbizid ein "wesentlicher Faktor" für das Entstehen des Krebses war. Jetzt befand die Jury, der Konzern habe fahrlässig gehandelt, indem er nicht ausreichend vor den Gefahren des Unkrautvernichters gewarnt habe.
Die Nachricht dürfte den Aktienkurs von Bayer weiter unter Druck setzen. Es ist bereits der zweite Glyphosat-Prozess, den das Unternehmen aus Leverkusen in den USA krachend verloren hat.
Bayer will gegen das Urteil allerdings in Berufung gehen. Das Urteil ändere nichts daran, dass wissenschaftliche Arbeiten und die Regulierungsbehörden das Produkt nicht für krebserregend halten. Das nun gefallene Urteil habe zudem auch keinen Einfluss auf zukünftige Fälle.
Auch im Fall des Hausmeisters Dewayne Johnson, dem Geschworene im vergangenen Sommer zunächst 289 Millionen Dollar zugesprochen hatten, wehrt sich Bayer in der nächsten Instanz. Die Richterin hatte die Summe zwar auf 78 Millionen Dollar gesenkt, die Einschätzung, dass Glyphosat für den Krebs des Klägers ursächlich sei, jedoch bestätigt.
Bayer setzt darauf, in höheren Instanzen günstigere Urteile erstreiten zu können, weil hier Berufsrichter und nicht juristische Laien entscheiden. Wissenschaftliche Erkenntnisse, glaubt Bayer, werden dann den Ausschlag geben. Rund 800 Studien und weltweite Genehmigungen für den Einsatz von Glyphosat bestätigen aus Sicht des Konzerns, dass der Wirkstoff bei sachgerechter Anwendung sicher und nicht krebserregend ist.
In den USA sind mittlerweile 11.200 Klagen von Landwirten und Gärtnern anhängig, die ihre Krebserkrankung auf den Umgang mit Roundup zurückführen. Sechs andere Verfahren werden in diesem Jahr vor Bundesgerichten und bundesstaatlichen Gerichten beginnen; in dieser Woche beginnt eines, das von demselben Anwalt geführt wird, der auch im Fall Johnson die Klage führte.
Für den Kurs der Bayer-Aktie sind die Glyphosat-Urteile toxisch. Sie überlagern auch die eigentlich positive Entwicklung der Monsanto-Geschäfte. Seit den ersten Spekulationen über die Übernahme hat der Konzern fast die Hälfte seines Börsenwertes verloren. Der liegt mittlerweile unter dem Preis von 63 Milliarden Dollar, der vergangenes Jahr für die Monsanto-Übernahme gezahlt wurde.
"Ein verantwortungsbewusstes Unternehmen hätte sein Produkt getestet", hatte Klägeranwältin Aimee Wagstaff in ihrem Schlussplädoyer am Dienstag erklärt. "Ein verantwortungsbewusstes Unternehmen würde seine Kunden darüber informieren, wenn es wüsste, dass ein Produkt Krebs auslösen kann." Sie bezeichnete das Vorgehen der Bayer-Tochter Monsanto als rücksichtslos und beleidigend.
Bayer-Anwalt Brian Stekloff hatte dagegen gehalten und erklärt, die Environmental Protection Agency (EPA) habe als zuständiger Regulierer für Pflanzenschutzmittel in den USA Roundup nie vom Markt genommen oder eine Krebswarnung auf der Packung verlangt.
Rechtsanalyst Tom Claps bezeichnete das Urteil vom Mittwoch als ein schlechtes Zeichen für Bayer. Investoren müssten sich darauf einstellen, dass die Rechtsstreitigkeiten noch jahrelang andauern würden, er schätze die Gesamtkosten auf 2,5 bis 4,5 Milliarden Dollar. Andere Investoren und Analysten möchten noch einige Urteile abwarten, bevor sie sich eine Gesamtkostenschätzung zutrauen.
Das nächste Gerichtsverfahren steht für Bayer schon vor der Tür: Im kalifornischen Oakland beginnt am Donnerstag der Prozess, der von Alva und Alberta Pilliod, die ihr Non-Hodgkin-Lymphom auf die jahrelange Verwendung von Roundup zurückführen, angestrengt wird. Beide sind über 70 Jahre alt, deshalb und wegen ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung wurde das Verfahren vorgezogen.
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March 28, 2019 01:38 ET (05:38 GMT)
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