Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Politik kann nach Ansicht von Wirtschaftsexperten trotz anhaltender internationaler Kritik wenig tun, um den hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands zu reduzieren. Die Größe der Volkswirtschaft und Verwobenheit mit andern europäischen Volkwirtschaften stehen möglichen Maßnahmen im Weg. Zu dem Schluss kommt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium in einem am Donnerstag vorgestellten Gutachten.
"In einer kleinen offenen Volkswirtschaft würden hierzu kleine steuer- oder zollpolitische Eingriffe in Verbindung mit der Freigabe des Wechselkurses womöglich bereits ausreichen", hieß es in dem Gutachten. "Für Deutschland dagegen stellen die Größe der Volkswirtschaft sowie die Einbindung in die EU als Zollunion und die Eurozone als Währungsunion einer Anpassung Hindernisse in den Weg. Das beschränkt zum einen die Zahl der praktisch zur Verfügung stehenden Instrumente, zum anderen beeinträchtigt es ihre Wirksamkeit selbst dann, wenn sie verfügbar wären."
Seit Jahren ist Deutschland wegen seines hohen Leistungsüberschusses besonders vonseiten der USA, der Europäischen Kommission und des International Währungsfonds unter Beschuss. Sie werfen Deutschland vor, wegen des hohen Export- und niedrigem Importvolumens und hoher deutscher Investitionen im Ausland einen stabilitätsgefährdenden Kurs zu verfolgen. Die Amerikaner werfen zudem Deutschland unfaire Handelspraktiken vor.
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Deutschland das dritte Jahr in Folge den weltweit größten Überschuss in der Leistungsbilanz. Für 2019 und 2020 rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang des Überschusses auf 7,3 beziehungsweise 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im vergangen Jahr lag der Überschuss bei 7,4 Prozent.
Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bestätigt das Gutachten des Beirats die Sicht der Regierung, dass die Leistungsbilanz durch wirtschaftspolitische Maßnahmen nur geringfügig und nicht ohne Nebenwirkungen beeinflusst werden könnte.
"Der Leistungsbilanzüberschuss in Deutschland ist Ausdruck der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und überwiegend von Faktoren beeinflusst, die wir politisch nicht beeinflussen können", sagte Altmaier. "Dazu zählen die Zinspolitik, die Wechselkurse, die Entwicklung der Ölpreise, aber auch die demographische Entwicklung. Was wir aber beeinflussen können, ist der Erhalt und die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit."
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March 28, 2019 07:40 ET (11:40 GMT)
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