BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland weiter voranbringen und wird daher bei den Verhandlungen über die Verteilung des nächsten EU-Haushaltes für die deutsche Sondersituation kämpfen. Das erklärte die CDU-Politikerin nach einem Treffen im thüringischen Neudietendorf mit den sechs Ost-Ministerpräsidenten.
In den vergangenen 30 Jahren sei seit dem Fall der Mauer Vieles gelungen. "Aber es wächst natürlich auch die Ungeduld, dass es nach wie vor strukturelle Unterschiede gibt und jeder fragt sich, wie lange sollen denn die strukturellen Unterschiede noch bestehen", sagte Merkel. "Deshalb müssen wir erst einmal aufpassen, dass sie nicht größer werden."
Daher werde Deutschland bei den anstehenden Verhandlungen über die nächste mittelfristige finanzielle Vorausschau für die Europäische Union darauf achten, dass dadurch die Ungleichgewichte zwischen West und Ost noch einmal vergrößert würden.
"Diese Verhandlungen werden hart, da haben viele Länder Forderungen. Aber wir werden unsere Forderungen in diesem Bereich mit aller Entschiedenheit vorbringen", erklärte Merkel.
Durch den geplanten EU-Austritt des Nettozahlers Großbritannien fürchten besonders die ostdeutschen Bundesländer, dass ein Teil der EU-Fördergelder an die Region gestrichen werden könnte.
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow forderte während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, dass ein Ausgleich unter den Bundesländern nötig sei, falls die EU-Gelder geringer ausfallen sollten.
Beinahe 30 Jahre nach dem Fall der Mauer haben sich die Lebensverhältnisse in Ost und West noch immer nicht angeglichen. Eine jüngste Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ergab, dass Ostdeutschland trotz bedeutsamer Fortschritte noch immer weniger produktiv als der Westen ist und die Durchschnittseinkommen sind niedriger sind.
Für die ostdeutschen Ministerpräsidenten ist es wichtig, dass die neuen Bundesländer nach dem Auslaufen des Solidarpakts Ende 2019 weiter genügend finanzielle Mittel zum Abbau bestehender Strukturschwächen bekommen. Nach dem Auslaufen des Solidarpakts soll ein Fond für strukturschwache Regionen in Deutschland aufgelegt werden.
Den östlichen Regionen droht zudem mit dem Ende des Braunkohlebergbaus ein Wegfall von gut bezahlten und hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte daher, dass in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier neue Wirtschaftsstrukturen zu schaffen seien. Dadurch solle das vom Bund zugesagte Geld schnell und passgenau genutzt werden können, wie beispielsweise für Infrastruktur oder für Wirtschaftsansiedlungen.
In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin hatten sich die Ministerpräsidenten zudem dagegen gewehrt, die geplanten Milliardenprojekte für den Kohleausstieg mitfinanzieren zu müssen.
Merkel sagte, man habe bei dem Treffen nicht darüber geredet, da es Thema bei einer Konferenz der Chefs der Staatskanzleien sein werde.
"Ich glaube, wir haben da noch Probleme, aber sind da auch auf einem guten Weg", sagte Merkel. "Der Bund wird zu Zusagen stehen, insbesondere zuerst zu seinem Sofortprogramm."
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April 03, 2019 12:23 ET (16:23 GMT)
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