Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Commerzbank hat ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum Deutschlands im laufenden Jahr erneut gesenkt, auf 0,4 von 0,6 Prozent. Grund sind die anhaltend schwachen Auftragseingänge der Industrie, wie Chefvolkswirt Jörg Krämer in Frankfurt erläuterte. Für das zweite Halbjahr erwartet die Commerzbank weiterhin eine Konjunkturerholung, die von der Binnennachfrage und der wieder stärkeren Nachfrage Chinas nach deutschen Produkten gestützt werden dürfte.
"Die Wirtschaft befindet sich in einem Graubereich zwischen einer markanten Wachstumsabschwächung und einer Rezession. In welche Richtung es am Ende ausschlägt, ist sehr schwer zu sagen", sagte Krämer. Nach dem Einbruch der Auftragseingänge sei für das erste Halbjahr aber ein noch schwächeres Wachstum zu erwarten, womit die Wachstumsbasis für das Gesamtjahr sinke. Die Auftragseingänge seien so schwach wie bei zurückliegenden milden Rezessionen. Den Verlauf für das zweite Halbjahr haben wir aber nicht gesenkt", sagte Krämer. Dafür nannte er drei Gründe:
1. Robuste Binnennachfrage
Das Ifo-Geschäftsklima des Dienstleistungssektors und der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors sind gestiegen.
2. Hoffnung auf steigende Nachfrage aus China
Der Anstieg der chinesischen Einkaufsmanagerindizes stellt zwar noch keine Entwarnung dar, ist aber ein positives Signal. China lässt einen stärkeren Anstieg der Häuserpreise zu, und die sind ein Vorlaufindikator für die Ausfuhren des Euroraums nach China. Die Häuserpreise steigen schon seit einiger Zeit wieder stärker, sie haben einen zeitlichen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen vor den Exporten. "In Deutschland steht und fällt die Konjunktur mit China", sagte Krämer.
3. Schwächerer Euro
Die Wirkung der früheren Euro-Aufwertung hat gegenwärtig ihren Höhepunkt, sie lässt von jetzt an nach. Ausfuhren profitieren von einer besseren preislichen Wettbewerbsfähigkeit.
Als Risikofaktor sieht Krämer weniger einen ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens, als vielmehr die Möglichkeit von US-Strafzöllen auf europäische Autoimporte. "Ich habe bisher nichts aus Brüssel darüber gehört, wie man dem begegnen will", sagte er.
Für den Fall eines ungeordneten Brexit erwartet Krämer pragmatische Reaktionen der EU und Großbritanniens. Er verwies auf die Ankündigung der Briten, einen Großteil der Einfuhren aus der EU zollfrei ins Land zu lassen. Zudem hofft Krämer immer noch, dass sich beide Seiten auf eine Zollunion einigen werden. Dafür sieht er drei Anhaltspunkte:
1. In der Probeabstimmung ist die Zollunion nur knapp gescheitert
2. Labour ist dafür, und die Regierung redet mit Labour
3. Die Diskussion über den Backstop für Nordirland hätte sich erledigt
Der Commerzbank-Chefvolkswirt rechnet darüber hinaus damit, dass die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik im Herbst weiter lockern wird. Krämer erwartet, dass sie dann unveränderte Zinsen bis Ende 2020 zusagen wird. Für die Ratssitzung am Mittwoch nächster Woche erwartet er noch keine Details zu den neuen Langfristtendern (TLTRO3).
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April 05, 2019 05:49 ET (09:49 GMT)
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