Von Michael Denzin
FRANKFURT (Dow Jones)--Auf steigende Kurse sollten sich Anleger in den Wochen vor Ostern einstellen. Der nachhaltige Fall der 12.000-Punktemarke im DAX dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Denn die meisten Belastungsfaktoren lösen sich schrittweise in Luft auf. Vor allem die versöhnlichen Töne im Handelsstreit zwischen den USA und China lassen den Stein schlechthin von den Herzen der Börsianer fallen. Zudem wurde die Wirtschaft viel zu negativ eingeschätzt und die meisten Marktteilnehmer sind dafür auch noch falsch positioniert. Mehr Zutaten für steigende Kurse kann es eigentlich nicht geben.
Dass auch die Brexit-Odyssee immer mehr in Richtung der Vermeidung eines harten Ausstiegs steuert, ist ebenfalls eine positive Nachricht - zumindest für Europäer. Angesichts der weltumfassenden Bedeutung eines Handelskriegs zwischen den USA und China ist das Geschäft mit Großbritannien aber genau genommen nur eine Randnotiz.
Startschuss für Rally - China expandiert
Der Startschuss für die globale Erleichterungsrally an den Aktienmärkten kam ebenfalls aus China. Dort sprang der Index der Einkaufsmanager (PMI) über die wichtige 50-Punktemarke. Damit zeigte sich die chinesische Industrie völlig überraschend wieder auf Expansionskurs. Denn erwartet wurde stattdessen eine weitere Kontraktion mit Werten unter 50 Punkten. Auch der Service-Bereich bestätigte Tage später dieses positive Bild und ähnliche Signale kamen zudem aus diversen Ländern Europas und den USA.
Die Analysten der Deutschen Bank unterstreichen, dass ihr ökonomisches Modell freundliche Signale sende. Denn die Indikatoren ihres Systems deuten auf ein Wachstum im ersten gegenüber dem Vorquartal von 0,2 Prozent in der Eurozone hin. Die offiziellen Schätzungen lägen dagegen mit nur 0,1 Prozent zu pessimistisch. Global sei zwar weiter eine leichte Abschwächung zu beobachten, die Signale fielen jedoch uneinheitlich aus. "Aber die jüngste Verbesserung der China-PMI sollte nicht unterschätzt werden", unterstreichen die Analysten.
Alle falsch positioniert auf Stagnation
Auf so viele verbesserte Konjunkturdaten waren die meisten Marktteilnehmer nicht vorbereitet - und sind entsprechend falsch positioniert. Bei Bank of America-Merrill Lynch stellen die Analysten fest, der Konsens sei völlig auf dem falschen Fuß erwischt worden. Man habe sich auf eine "Säkulare Stagnation" hin positioniert, unter anderem mit dem Kauf von Anleihen. Stattdessen laufe nun eine "zyklische Erholung", die Aktien und speziell Finanz- und europäische Aktien bevorzuge. Ihr Bull/Bear-Indikator notiere daher noch im Bereich erster zarter Erholungssignale: "It's too early to sell", schlussfolgern sie daher.
Entsprechend massiv ist der Zwang zu Umschichtungen bei professionellen Marktteilnehmern. Händler verweisen daher seit Tagen auf den ständigen Ausverkauf am Rentenmarkt bei gleichzeitigen Käufen von Aktien, Rohstoffen und speziell Öl. Vor allem bei den langlaufenden Anleihen geht es abwärts. Damit normalisiert sich auch wieder die Zinskurve, deren Abflachung oder sogar Inversion monatelang als angeblicher Rezessions-Indikator bemüht worden war.
Angesichts des Umfangs der Volumina, die Fonds in Aktien unterbringen müssen, dürfte es noch Wochen dauern, bis jedes Portfolio neu sortiert wurde. Die Analysten von Merrill Lynch erwarten ein Auslaufen erst im zweiten Quartal, wenn der S&P-500-Index in den USA über 3.000 Punkten stehen werde. Vor allem Bank- und Öl-Aktien erwarten sie als Kurstreiber.
Wenig spricht gegen DAX bei 12.500
Selbst bei einem nur knappen Überschreiten dieser Marke wären das bei einem aktuellen S&P-Stand von rund 2.880 Punkten noch über 4 Prozent Aufwärtspotenzial. Vollziehe der DAX dies nach, läge sein korrespondierendes Plus bei über 500 Punkten und damit bei einem Kursziel von mindestens 12.500 Punkten. Unterstützt wird das fundamental verbesserte Bild dazu noch von der Technik.
Denn hier weist Jörg Scherer von HSBC Trinkaus auf den "Charme des ersten Monats im Quartal" hin. Der Startmonat liefere tendenziell besser Ergebnisse ab als die anderen beiden Monate. Von daher wäre für den DAX auch saisonal kein Gegenwind zu erwarten. Nur das leidige Brexit-Thema müssen Anleger in der kommenden Woche erneut über sich ergehen lassen. Denn am Freitag wäre der offizielle Trennungstermin nach bisheriger Lesart. Angesichts der immer versöhnlicheren Töne des britischen Parlaments dürfte es aber nicht falsch sein, im Wochenverlauf auf eine weitere Verschiebung zu setzen.
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April 05, 2019 06:41 ET (10:41 GMT)
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