In der deutschen Wirtschaft sind immer weniger Betriebe und Arbeitnehmer an Tarifverträge gebunden, obwohl die Zahl der Vereinbarungen ständig steigt. Darauf hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Montag zum 70. Jahrestag der bundesdeutschen Tarifvertragsgesetzes (TVG) hingewiesen. Zurzeit gibt es nach Zählung des stiftungseigenen WSI-Tarifarchivs mit rund 77 000 gültigen Verträgen einen Rekordwert, jährlich würden zudem rund 5000 Tarife neu abgeschlossen.
Gleichzeitig seien nur noch 55 Prozent der Beschäftigten und 27 Prozent der Betriebe an Tarifverträge gebunden. "Die rückläufige Tarifbindung untergräbt die bestehenden Tarifstandards und fördert niedrig bezahlte und prekäre Beschäftigung", sagte dazu Tarifleiter Thorsten Schulten. Er kritisierte die Arbeitgeber für den Aufbau sogenannter OT-Verbände, deren Mitglieder "ohne Tarifbindung" gestellt werden. Dies habe sich als fataler Irrweg erwiesen und die Erosion des Tarifwesens verstärkt, sagte Schulten.
Tarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder auch mit Einzelbetrieben abgeschlossen und können ganz unterschiedliche Felder der Arbeitsbeziehungen regeln. Am bekanntesten sind die Gehaltsverträge: Nach Berechnungen des WSI sind die Tarifvergütungen in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt um rund 14 Prozent gestiegen. In den Manteltarifverträgen seien in jüngster Zeit vor allem kürzere und flexiblere Arbeitszeiten mit Wahloptionen für die Arbeitnehmer vereinbart worden. Zunehmende Bedeutung erringen Verträge zu Fragen der Arbeitszeit- und Leistungsgestaltung beispielsweise für das Pflegepersonal in Krankenhäusern./ceb/DP/jha
AXC0102 2019-04-08/11:06