
Von Andreas Kißler
WASHINGTON (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat angesichts einer schwächeren Wirtschaftslage ein immer noch positives Wachstum in Deutschland hervorgehoben und gemeinsam mit Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Forderungen nach Konjunkturprogrammen zurückgewiesen. Berichte über eine deutlich auf 0,5 Prozent gesenkte Regierungsprognose für das deutsche Wachstum in diesem Jahr lehnte der Bundesfinanzminister aber ausdrücklich ab.
"Wir sind nicht in einem Abschwung, wir haben ein verlangsamtes Wachstum", sagte Scholz bei einer Pressekonferenz anlässlich der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), zu der sich auch die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Washington treffen. Die schwächere Lage spüre man in der Weltwirtschaft, in Europa und in Deutschland. Scholz betonte, die Risiken seien überwiegend "politisch induziert", und nannte die Handelsstreitigkeiten der USA mit China einerseits und der Europäischen Union (EU) andererseits sowie den Brexit.
"Darum muss es der Auftrag der Verantwortlichen sein, dafür zu sorgen, dass die Unsicherheiten beendet werden", forderte Scholz. Zum Brexit zeigte er sich aber "fest davon überzeugt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir doch noch zu einem verhandelten Ergebnis kommen, größer geworden ist", und auch zu den Handelsgesprächen sah er positive Signale. Zur Wachstumsprognose erklärte der Finanzminister, er kommentiere "Prognosen, die da sind", nicht künftige.
Die schwarze Null soll weiter stehen
Mit Blick auf Forderungen nach Konjunkturimpulsen verwies Scholz darauf, dass Deutschland bereits eine expansive Fiskalpolitik betreibe und trotzdem den Haushalt ohne Neuverschuldung fahre und die Staatsschuldenquote auf unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt habe. "Wir sind gut beraten, am Ziel ausgeglichener Haushalte festzuhalten", sagte der SPD-Politiker. Damit sorge Berlin vor, um in schlechten Zeiten handlungsfähig zu sein. "Das ist das beste Sicherheitssignal, das man für die weltwirtschaftliche Entwicklung aussenden kann."
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sprach bei derselben Pressekonferenz von einer "Konjunkturdelle", die keine Konjunkturpakete erforderlich mache. "Nach wie vor ist es die wahrscheinlichste Variante, dass die Konjunktur nach einer Pause wieder Fahrt aufnehmen wird". Eine Erholung auf breiter Front zeichne sich aber dieses Jahr nicht ab. Das deutsche Wachstum werde selbst bei einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte "erheblich" unter seinem Potential liegen, und angesichts der Indikatoren am aktuellen Rand wäre auch ein etwas schwächeres Wachstum als die vom IWF in Washington prognostizierten 0,8 Prozent "durchaus plausibel", sagte er.
"Das Szenario ist nicht das eines dramatischen Abschwungs, das Konjunkturpakete erforderlich machen wird", erklärte der Bundesbank-Präsident. "Die deutsche Konjunkturlage ist keine Lage, aus der aus nationaler Perspektive ein Programm nötig wäre", erklärte er zu Forderungen aus Frankreich, Deutschland und andere Euro-Länder wie die Niederlande und Finnland sollten einen Stimulus zu Gunsten übriger Euro-Länder setzen. Wenn man Programme für andere auflegen wollte, sollte man sich erst einmal ansehen, "ob das funktioniert", und sich fragen, "ob das konzeptionell mit dem Rahmen des Währungsraums vereinbar ist", mahnte Weidmann. Auf eine Frage zu den Fusionsgesprächen von Deutscher Bank und Commerzbank betonte er zudem, er kommentiere "keine Einzelinstitute", entscheidend sei in jedem Fall das Geschäftsmodell einer Bank.
Leitlinien für Mindeststeuer noch 2019
Scholz hatte bereits auf seinem Weg zu den Washingtoner Beratungen einen Abbau politisch bedingter Risiken gefordert, um die Weltwirtschaft zu stabilisieren. "Ich glaube, dass es jetzt das Wichtigste ist, die politischen Risiken zu beseitigen", hatte der Finanzminister zu Journalisten bei einem Zwischenstopp auf dem Flughafen Keflavik in Island gesagt. "Es ist unsere Aufgabe, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit Unternehmen und Verbraucher investieren."
Die schwächere Lage der Weltwirtschaft und die Zukunft des Multilateralismus sollten im Mittelpunkt der Tagungen von G20 und IWF stehen, zu denen die internationale Finanzelite ab Donnerstag in der US-Hauptstadt zusammengkommen ist. Aus dem Bundesfinanzministerium war bereits betont worden, viele Risiken für die weltwirtschaftliche Dynamik seien "politikgemacht", so die Handelskonflikte der USA mit China und mit der EU, geopolitische Unsicherheiten, der Umgang mit internationalen Vereinbarungen und der Brexit.
Vorangebracht werden sollte in Washington auch eine angemessene Besteuerung in der Globalisierung. Deutschland will eine weltweite Mindestbesteuerung, für die sich Scholz bei den internationalen Tagungen einsetzen will. Damit sei er "auf große Zustimmung gestoßen", berichtete der Finanzminister bei der Pressekonferenz in Washington. Alle wollten noch in diesem Jahr "Leitlinien" dazu vereinbaren. Sein Ziel ist ein Abkommen bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bis zum Sommer 2020, an dem auch die USA teilnehmen.
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April 12, 2019 08:51 ET (12:51 GMT)
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