BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat die Reform des EU-Urheberrechts gelobt, den die EU nach nahezu zweieinhalb Jahren von Verhandlungen beschlossen hat, und zugleich einen Verzicht auf die umstrittenen Uploadfilter von Onlineplattformen angemahnt. "Nach zähem Ringen um die nötigen Anpassungen des Urheberrechts an die digitalen Rahmenbedingungen ist die Verabschiedung der Urheberrechtsrichtlinie ein hart erkämpfter und wichtiger Erfolg", erklärte Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU).
Die EU-Länder hatten die umstrittene Reform auf Basis eines Kompromisses von Europaparlament, EU-Kommission und Ministerrat abschließend gebilligt. Deutschland stimmte dafür, gab aber nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert eine Protokollerklärung ab. Laut dieser wolle sich die Bundesregierung bei der nun beginnenden Entwicklung europäischer Leitlinien unter anderem dafür einsetzen, "dass Uploadfilter nach Möglichkeit verhindert werden", und dass die Meinungsfreiheit gewahrt bleibe, sagte Seibert bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Angestrebt werde eine EU-weit einheitliche Umsetzung der Richtlinie, die gewähre, "dass Upload-Plattformen auch in Zukunft frei, unzensiert als Kommunikationskanäle für jeden Unionsbürger zur Verfügung stehen". Der entsprechende Artikel der Richtlinie sei technologieneutral formuliert, hob der Regierungssprecher hervor.
Grütters bezeichnete es in einer Mitteilung als "dringend notwendig", dass Urheber und sonstige Rechtsinhaber eine stärkere Position gegenüber Plattformen erlangten, die zu einem erheblichen Teil von der kreativen Leistung und vom geistigen Eigentum ihrer Schöpfer lebten und hohe Umsätze damit erzielten. "Es ist deshalb richtig, dass bestimmte Plattformen stärker in die Verantwortung genommen werden." Dass diese Plattformen nun Lizenzen einholen müssten, sei "primäres Ziel" des umstrittenen Artikels 17.
Scharfe Kritik der Opposition
Neben den viel diskutierten Themen des Leistungsschutzrechts für Presseverlage und der urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Plattformen enthalte die Reform aber auch zahlreiche weitere Verbesserungen, unter anderem bei der Verlegerbeteiligung, beim Urhebervertragsrecht, für den Erhalt des kulturellen Erbes, für digitale Nutzungen im Bildungsbereich und bei der Verfügbarkeit vergriffener Werke, erklärte die CDU-Politikerin.
Die Opposition kritisierte das Abstimmungsverhalten der Regierung aber. "Die Bundesregierung hat mit ihrer ausschlaggebenden Stimme den Weg für Uploadfilter frei gemacht", sagte Linke-Fraktionsvize Petra Sitte. Niemand werde in Zukunft behaupten können, Union und SPD hätten es nicht so gewollt. "Das Feigenblatt einer Protokollerklärung ändert daran nicht viel." Wenn die Koalition sich nun in der Umsetzung daran machen wolle, den von ihr selbst angerichteten Schaden so weit wie möglich wieder zu begrenzen, werde man das aber konstruktiv begleiten.
Die Grünen-Netzpolitikerin Tabea Rößner nannte das Agieren der Koalitionsparteien in der Debatte "ein Trauerspiel". Urheberinnen und Urheber müssten an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden, dabei dürften aber "keine Hürden für freien Meinungsaustausch und Informationsfluss entstehen", mahnte sie. Das Ziel, einen einheitlichen europaweiten Binnenmarkt im Urheberrecht zu schaffen, sei auf nicht absehbare Zeit verschoben worden. Nationale Alleingänge müssten nun aber vermieden werden, forderte Rößner.
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer erklärte, Union und SPD seien mit ihrer Zustimmung zur Urheberrechtsreform "dafür verantwortlich, dass eine europaweite Sperrinfrastruktur mit Uploadfiltern aufgebaut werden kann". Hierbei spielten Christ- und Sozialdemokraten Urheber und Internetuser auf Kosten der Meinungsfreiheit gegeneinander aus. "Die Reform des Urheberrechts hätte die Chance geboten, einen Urheberrechtsschutz zu schaffen, der auch ohne Uploadfilter auskommt", betonte Beer.
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April 15, 2019 08:39 ET (12:39 GMT)
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