24. April 2019. FRANKFURT. Hiesige Anleger bleiben widerwillig, was positiv
für den Markt sein sollte, denn sowohl Anleger auf der Short-Seite als auch
an der Seitenlinie stehen als Nachfrager bereit.
Der gestrige Handelstag darf als denkwürdig gelten. Denn nach einem
zwischenzeitlichen Kurseinbruch von rund 20 Prozent hat es der US-
Aktienmarkt geschafft, gemessen am breit gestreut S&P 500, sein Allzeithoch
von Anfang Oktober 2018 fast wieder zu erreichen. Aber auch der DAX konnte
während des gleichen Zeitraums seinen Verlust von rund 16 Prozent ebenfalls
wieder aufholen, und die Aktien der Eurozone (gemessen am Euro Stoxx 50)
liegen sogar leicht im Plus.
Zu schnell sei das alles gegangen, die Erholung wirke beinahe schon etwas
überzogen, zeigten sich einige Kommentatoren skeptisch. Und es hat fast den
Anschein, als ob die Investoren eher widerwillig als euphorisch auf diesen
Anstieg der Aktienkurse reagiert hätten. Tatsächlich ist es noch nicht allzu
lange her, dass darüber diskutiert wurde, ob die US-Wirtschaft in eine
Rezession abgleiten könne. Und der Konjunkturausblick für die Eurozone blieb
bis zuletzt enttäuschend. Doch allein ein Blick auf das vielbeachtete Modell
der Fed von Atlanta zeigt, wie sich die Wachstumsprognosen aufgrund harter
Daten seit Anfang März für das erste Quartal in den USA verändert haben. Von
anfangs 0,3 wies dieses Modell zuletzt einen Prognosewert für das
Bruttoinlandsprodukt von +2,8 Prozent (saisonbereinigt und annualisiert) für
das erste Quartal dieses Jahres aus. Und auch die Ökonomen gehen im Mittel
von einem Wachstumsplus von annualisiert 1,8 Prozent aus.
All dies scheint die von uns allwöchentlich befragten institutionellen
Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont zumindest vordergründig nicht
allzu sehr zu scheren. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist
gegenüber der Vorwoche gerade einmal um 5 Punkte auf einen Stand von +6
Punkte gestiegen. Diese Zurückhaltung ist insofern nachvollziehbar, als es
seit dem Erhebungszeitpunkt in der vergangenen Woche mit einem DAX-Stand von
12.100 Punkten keine günstigeren Einstiegsmöglichkeiten in den Markt gab.
Mit anderen Worten: Die Wenigen, die gekauft haben, haben dies vermutlich
nur getan, weil sie es tun mussten.
Widerwille statt Euphorie
Eine Entwicklung in die andere Richtung gab es indes bei den Privatanlegern,
deren Ausgangssituation sich zuletzt allerdings etwas günstiger als bei den
institutionellen Pendants gestaltete. Denn es gab zumindest bei einem Teil
der Optimisten aus der Vorwoche Gewinnmitnahmen. Dies vermittelt zumindest
der Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel, der um 4 Punkte auf
einen Stand von nunmehr ebenfalls +6 Punkte gefallen ist.
Verglichen mit dem erneuten Anstieg des DAX von 1,2 Prozent gegenüber dem
vergangenen Mittwoch und in Anbetracht von acht Handelstagen in Folge, an
denen der DAX die Sitzung mit einem Plus beschloss (allein an den vier
vergangenen Handelstagen wurde ein neues Jahreshoch markiert!), erscheint
der derzeitige Optimismus der von uns befragten Investoren zu gering
auszufallen. Allein bei den institutionellen Investoren liegt der Börse
Frankfurt Sentiment-Index mit +6 Punkten nicht nur deutlich unter dem Stand
vom Jahresbeginn (+17 Punkten), als der DAX noch unter 11.000 Punkten
notierte, sondern bewegt sich auch in der relativen Sechs-Monatsbetrachtung
unter dem Mittelwert. Damit bleibt die Situation für den DAX nach wie vor
günstig, wobei diejenigen Investoren, die immer noch auf fallende Kurse für
einen günstigeren Einstieg warten, mittlerweile wahrscheinlich froh wären,
noch einmal 12.000 DAX-Zähler zu sehen. Aber nicht nur von dieser Seite ist
Nachfrage zu erwarten. Denn bei weiter steigenden Kursen müssten zudem noch
ausstehende Aktienkäufe im Rahmen einer Short-Squeeze abgewickelt werden.
24. April 2019, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0061 2019-04-25/07:48