BERLIN (Dow Jones)--Bei den Europawahlen Ende Mai droht mehrheitlich eine Abstimmung gegen und nicht für politische Parteien. Das ergab eine Umfrage für die Bertelsmann Stiftung, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Problematisch sei, dass sich die Protestwähler nicht von den gemäßigt-etablierten Parteien der Europäischen Union repräsentiert fühlten. Für das neue Europaparlament würde als Konsequenz die Bildung von Mehrheiten erschwert, erklärten die Autoren der Studie.
So wollen zwar zwei Drittel aller befragten Europäer und sogar fast drei Viertel der deutschen Wahlberechtigten an der Europawahl teilnehmen. "Doch bei ihrer Wahlentscheidung könnten sich die Europäer mehrheitlich von ihrer Ablehnung gegen bestimmte Parteien leiten lassen", hieß es in der Bertelsmann Studie "Europa hat die Wahl", für die im Januar in zwölf europäischen Ländern insgesamt 23.725 Wahlberechtigte befragt wurden.
Die Umfrageergebnisse offenbarten daher eine gewisse "Antihaltung" der Europäer. So identifizieren sich nur etwa sechs von 100 Wahlberechtigten positiv mit einer Partei, während fast jeder Zweite eine negative Parteiidentität habe und eine oder sogar mehrere Parteien vollständig ablehne.
"Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen", erklärte Robert Vehrkamp, Mitautor der Studie und Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung.
Während die positive Identifikation der Wähler mit etablierten Parteien in ganz Europa abnehme, hätten die populistischen Parteien in relativ kurzer Zeit eine stabile Wählerbasis geschaffen. Allerdings einten Links- und Rechtspopulisten nur ihre Demokratieunzufriedenheit und EU-Skepsis. In Sachfragen seien die beiden Gruppen noch tiefer gespalten als die gemäßigteren Parteien, so die Autoren.
Dennoch werden die Wahlabsichten Konsequenzen für das EU-Parlament haben.
"Je stärker die populistisch-extremen Ränder werden, umso stärker zwingt es die etablierten Parteien zum Konsens. Gelingt den etablierten Parteien dieser Brückenschlag nicht, können negative Mehrheiten zu Selbstblockade und Stillstand führen", warnte Vehrkamp.
Die beste Strategie gegen Populismus sei, wenn sich die Bürger gut repräsentiert fühlten. Fühlten die Menschen sich in der Vielfalt ihrer Interessen und Einstellungen nicht hinreichend repräsentiert, erzeuge das Unzufriedenheit und Demokratiekritik.
Die Umfrage wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in zwölf Mitgliedstaaten der EU durchgeführt: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Spanien, Ungarn.
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April 26, 2019 03:00 ET (07:00 GMT)
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