Aktionäre stellen Bayer-Führung ein verheerendes Zeugnis aus
Von Olaf Ridder
BONN (Dow Jones)--Auf der Bayer-Hauptversammlung haben die Aktionäre angesichts von Kursverlusten und Rechtsrisiken, die sich der Konzern mit der Monsanto-Übernahme im vergangenen Jahr eingehandelt hat, ihrem Ärger Luft gemacht. Wichtige Anteilseigner, darunter Union Investment und Dekabank, kündigten an, die Konzernführung nicht zu entlasten.
Ingo Speich, der die Dekabank vertrat, sprach von einem Scherbenhaufen, vor dem die Aktionäre stünden. "Innerhalb von nur zwei Jahren ist der einstige Pharmagigant zu einem Zwerg mutiert", sagte er. Das Management habe die Klagerisiken in den USA massiv unterschätzt.
Baumann verteidigte den Zukauf dagegen abermals als strategisch richtig. "Davon sind wir nach wie vor fest überzeugt", sagte er. Der Vorstand habe sehr wohl die Chancen und Risiken der Transaktion sorgfältig abgewogen, versicherte er. Der Vorstand beruft sich dabei auch auf zwei einschlägige Rechtsgutachten, wonach er pflichtgemäß gehandelt habe.
Der Konzern sieht sich in den USA einer massiven Klagewelle ausgesetzt. 13.400 Kläger machen dort Glyphosat für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. In zwei Fällen wurde der Konzern bisher zu Schadensersatzzahlungen von jeweils rund 80 Millionen Dollar verurteilt. Bayer sei nach wie vor von der Sicherheit von Glyphosat überzeugt, sagte Baumann: "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, uns in Berufungsverfahren und den kommenden Gerichtsverhandlungen erfolgreich zu verteidigen", sagte der Manager. Es könne allerdings Jahre dauern, bis man wisse, wie das ganze Glyphosat-Problem ausgehe.
Aufsichtsratschef Werner Wenning stellte sich demonstrativ hinter Baumann. Der Aufsichtsrat habe "vollstes Vertrauen", dass die Strategie des Vorstands "sehr erfolgreich sein wird", sagte er. Zusätzlich fand er ähnlich wie Baumann Worte des Bedauerns, dass die Aktionäre an der Börse mehr als 30 Prozent ihres Investments eingebüßt haben. Der Konzern ist derzeit noch etwa soviel wert ist, wie die Übernahme von Monsanto gekostet hat.
DWS-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler von Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz nannte das vergangene Jahr einen Alptraum und eine Katastrophe für das Unternehmen. "Und das einzige, was sie uns sagen ist, dass sie alles richtig beziehungsweise nichts falsch gemacht haben. Da passt irgendwas nicht zusammen."
Christian Strenger, der renommierte Corporate-Governance-Experte, kritisierte, dass die Bayer-Führung die mit Monsanto verbundenen Reputationsrisiken massiv unterschätzt habe, und beantragte eine Sonderprüfung der Umstände der Mega-Übernahme. Dabei will er unter anderem klären lassen, wie intensiv sich der Bayer-Vorstand in die Rechtsrisiken eingearbeitet hat.
Der "lapidare" Lösungsansatz des Konzernchefs, "Monsanto heißt jetzt Bayer, hat die Konsequenz, dass Bayer jetzt auch in Deutschland mit dem Monsanto-Image verbunden wird", sagte Strenger. Es reiche nicht aus, darauf zu verweisen, dass die Märkte bislang irrational auf die Glyphosat-Prozesse reagiert hätten, sagte er.
Janne Werning, Analyst bei beim Fondsmanager Union Investment, stieß in das gleiche Horn: "Während die industrielle Logik der Transaktion sich erst noch bewahrheiten muss, haben sich Reputations- und Klagerisiken bereits materialisiert", sagte er.
Insgesamt mehr als 60 Redebeiträge wurden bis zum Mittag angemeldet, als der Aufsichtsratschef die Liste schloss. Inzwischen hat er die Redezeit auf 5 Minuten pro Redner gekürzt. Unklar ist derzeit, ob Vorstand und Aufsichtsrat entlastet werden. Nachdem es dafür im Vorjahr durch die Bank noch Zustimmungsraten von mehr als 97 Prozent gab, könnte die Zahl der Nein-Stimmen in diesem Jahr unter die einfache Mehrheit fallen.
Rechtliche Folgen hätte dies zwar nicht, ein solches Votum wäre aber eine deutliche Warnung an die Adresse von Konzernchef Baumann und Aufsichtsratschef Wenning.
Speich warnte zum aktuellen Zeitpunkt vor einem Austausch der Führungsriege. "Bei der Komplexität des Unternehmens würde Bayer wichtige Zeit verlieren, wenn sich ein neues Management einarbeiten müsste", sagte er. "Niemand kann wollen, dass neben all dem Chaos auch noch das Tagesgeschäft brachliegt."
Mehrere Sprecher äußerten die Befürchtung, dass Bayer nicht ausreichend vorbereitet sei, wenn in einigen Jahren im Pharmageschäft die Patente für wichtige Blockbustermedikamente wie dem Blutverdünner Xarelto und dem Krebsmittel Eylea auslaufen.
Baumann sieht den Konzern im Pharmageschäft für die weitere Zukunft "gut aufgestellt". Ein Verkauf von Teilen der Sparte ist nach seinen Worten kein Thema, mit Einlizensierungen von neuen Produkten soll sie verstärkt werden.
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April 26, 2019 13:11 ET (17:11 GMT)
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