Der Einfluss von Konzernen auf EU-Ebene ist aus Sicht des Vereins LobbyControl trotz einiger Gegenmaßnahmen immer noch zu groß. "Teilweise können sie Gesetze und politische Prozesse regelrecht kapern", kritisierte Verbandsgeschäftsführerin Imke Dierßen am Montag. Von den 25 000 Lobbyisten mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro auf EU-Ebene verträten zwei Drittel die Interessen von Unternehmen. Zwar habe es in den vergangenen Jahren Fortschritte gegeben. Aber: "Die Regeln reichen weiterhin nicht aus."
LobbyControl begrüßte, dass sich Mitglieder der EU-Kommission, ihrer Kabinette und die Generalsekretäre seit Ende 2014 nur noch mit Organisationen oder Konzernen treffen dürften, die in einem freiwilligen Transparenzregister stehen. Diese Treffen müssen laut Bericht veröffentlicht werden. Das habe das Register gestärkt, befinden die Autoren. Der Verein fordert aber, dass die Registrierung rechtlich verpflichtend wird.
Zudem sollte die Regelung für alle EU-Institutionen gelten - so auch für den Rat der EU-Staaten, der aus Sicht der Autoren in Sachen Transparenz noch am meisten zu tun hat. Über den Rat könnten die Regierungen der EU-Staaten immer wieder die Interessen der heimischen Industrie durchboxen, moniert der Verein. Deutschland zum Beispiel habe Abgastests und Steuerregeln verwässert oder verzögert.
Das Transparenzregister schließt bisher nur Kommission und Parlament ein. Die EU-Institutionen verhandeln seit Jahren über ein verpflichtendes Register aller Organe.
LobbyControl wertete nach eigenen Angaben die Treffen von 22 der 28 EU-Kommissare aus. Gut jeder Dritte traf sich demnach zu mehr als 70 Prozent mit Wirtschaftsvertretern. Bei weiteren sieben Kommissaren habe der Anteil bei mehr als 50 Prozent gelegen. Die EU-Institutionen müssten "die privilegierten Zugänge der Unternehmen beenden", heißt es im Bericht. "Die EU muss auch denjenigen Gehör verschaffen, die sich keine teure Lobbyvertretung in Brüssel leisten können."
Die Autoren betonen aber: Die EU sei bei Transparenz und ethischen Regeln für Lobbyismus ein gutes Stück weiter als Deutschland, wo es keine Informationen über Treffen von Politikern mit Lobbyisten gebe. Das sieht der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold genauso. "Brüssel hat ein Lobbyismusproblem, aber mittlerweile auch starke Transparenzregeln", erklärte er. Lobbyismus in der Bundespolitik sei noch deutlich undurchsichtiger.
Auch in Brüssel liege das Problem eher bei den Mitgliedsstaaten als den EU-Institutionen. "Einseitiger und überbordender Lobbyismus ist eine regelrechte Geißel der europäischen Einigung, denn viele Menschen misstrauen den Entscheidungen aus Brüssel", warnte Giegold./thn/DP/jha
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