Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat angesichts der sich abzeichnenden schlechteren Entwicklung bei den Steuereinnahmen gefordert, dass seine Kabinettskollegen ihre Ausgabenpläne auf den Prüfstand stellen. "Meine Überzeugung ist, dass wir dann überall hinschauen müssen", sagte Scholz im Deutschlandfunk laut einer von dem Sender verbreiteten Mitschrift. "Alle Ressorts müssen noch mal gucken, ob sie vielleicht nicht doch ein paar Projekte haben, die auch ein bisschen später kommen können."
"Natürlich nimmt die Verantwortung zu, Prioritäten zu setzen", betonte der SPD-Politiker. Stiegen die Steuereinnahmen weniger stark als erwartet, müsse man "sorgfältig abwägen, was einem sehr wichtig ist und was einem weniger wichtig ist". Es müssten "überflüssige Ausgaben unterlassen" und alle Projekte "nach vernünftigen Prioritäten sortiert" werden. Scholz beharrte aber darauf, die schwarze Null im Bundeshaushalt nicht zu reißen. Er sei "ganz entschieden dafür, dass wir bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben - keine neuen Schulden zu machen".
Der Finanzminister bekannte sich auch zu der ab 2021 geplanten Streichung des Solidaritätszuschlages für 90 Prozent der Bevölkerung. "Das werden wir auch machen", sagte Scholz. Für einen vollständigen Soli-Abbau sei es jedoch die falsche Zeit. Zur umstrittenen Grundrente ohne Bedürfnisprüfung kündigte Scholz einen baldigen Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und ein Finanzierungskonzept an. "Ich habe mit ihm verabredet, dass wir in diesem Zusammenhang dann auch sichtbar machen, wie man das über die lange Strecke finanzieren kann."
Eine vom Koalitionspartner Union geforderte Unternehmenssteuerreform lehnte Scholz erneut ab. Man habe "ein sehr modernes Unternehmenssteuerrecht", das es gegebenenfalls zu "justieren" gelte. Der Finanzminister kündigte zudem verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen für bestimmte elektrische Dienstfahrzeuge an. Außerdem machte sich der SPD-Vize dafür stark, den sozialen Zusammenhalt zu stärken. "Meine Überzeugung ist: Wir brauchen eine Gesellschaft, die zusammenhält", sagte Scholz.
Der Finanzminister will die neue Steuerschätzung am Donnerstag bekanntgeben. Die Schätzer dürften ihre Einnahmeerwartungen deutlich senken - die Steuermittel werden nicht mehr so stark steigen wie bisher angenommen. In der Union ist bereits die Rede von Mindereinnahmen von mindestens 10 Milliarden Euro allein für den Bund. Politiker von CDU und CSU haben deshalb bereits mit dem Ende der sprudelnden Steuerquellen Sozialprojekte infrage gestellt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat für Anfang Juni eine Vorstandsklausur ihrer Partei zu dem Thema angesetzt.
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May 03, 2019 09:07 ET (13:07 GMT)
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