
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Industrie hat die industriepolitische Strategie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und deren Fokussierung auf die Stärkung von europäischen Champions kritisiert. In einem am Freitag veröffentlichten 31-seitigen Positionspapier legt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im Gegenzug seine eigenen Vorstellungen zu einer nationalen Industriepolitik vor. Darin bemängelt der Verband besonders, dass Altmaier den für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Mittelstand in seinen Überlegungen kaum miteinbezogen hat.
Zwar sei es höchste Zeit für das Gesamtkonzept einer deutschen und europäischen Industriestrategie. Aber die "explizite politische Förderung von Europäischen Champions" sei der falsche Weg, kritisiert der BDI. Es sei wenig zielführend, den Protektionismus und die strategische Übernahmepolitik einiger Länder zu kopieren. Vielmehr gehe es darum, "die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas zu verteidigen."
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie beruhe im Kern auf der Fähigkeit, im Verbund von großen, mittleren und kleineren Unternehmen auf den Weltmärkten komplette Systemlösungen, vielseitige Produkte und passende Dienstleistungen erfolgreich anzubieten, so der BDI.
Champions entstünden laut den Autoren durch kundenorientierte Innovation und Investition, nicht durch staatliche Intervention. "Um diese Potenziale der Unternehmen weiter heben und dabei auch weiterentwickeln zu können, sollte Deutschland die ausgemachten Schwächen des Standorts beheben", so der BDI.
Warnung vor Investitionskontrolle als Mittel der Industriepolitik
Besonders beim Thema Investitionskontrolle warnt der Verband vor einem zu starken staatlichen Eingriff in die Investitionsfreiheit, beispielsweise durch eine Ausweitung der nationalen Sicherheitskriterien. "Die staatliche Investitionskontrolle darf kein Mittel der Industriepolitik werden", warnt der BDI. "Die gegenwärtig im Außenwirtschaftsrecht verankerten Kontrollmechanismen sind ausreichend, um den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, insbesondere nach zwei Verschärfungen innerhalb von zwei Jahren."
Der Verband regt stattdessen an, die Handels- und Wettbewerbspolitik zu stärken und neue Instrumente in der Innovations- und Industriepolitik schaffen. "Keinesfalls dürfen diese notwendigen Schritte jedoch die dringend notwendigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen ersetzen", mahnen die Autoren. "Vielmehr geht es darum, diese attraktiven Bedingungen zu schaffen."
So bedürfe es im digitalen Bereich der Durchsetzung der Handels- und Wettbewerbsordnung, um ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen in der Real- und Digitalwirtschaft zu schaffen. Eine Absage erteilt der BDI allerdings Vorschlägen von Wirtschaftsminister Altmaier, nach denen der Staat sich bei Bedarf an Unternehmen beteiligen solle.
"Ein mögliches Eingreifen des Staates auf dem Wege einer Beteiligungsfazilität erscheint derzeit aus Sicht der deutschen Industrie angesichts existierender marktkonformer Instrumente nicht notwendig", betont der BDI. Jede vertikale staatliche Intervention müsse unter dem Aspekt der "Verzerrung marktlicher Allokationsmechanismen" bewertet werden.
Wichtig sei außerdem bei den geplanten schärferen Umweltschutzbestimmungen in Deutschland, dass der Klimaschutz "nicht zu Lasten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit" gehe.
So müssten in Deutschland und Europa Strukturschwächen angegangen und überwunden werden. "Mängel bestehen mit Blick auf Unternehmenssteuern, Energiepreise, Infrastruktur, Rechtsetzung und Fachkräfte", so der BDI. Wichtig sei daher die substanzielle Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionstätigkeit, eine Modernisierung der Infrastruktur, eine Absenkung der steuerlichen Belastungen auf ein international vergleichbares Niveau und eine Reduktion der Energiekosten.
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May 03, 2019 12:00 ET (16:00 GMT)
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