Drei Wochen vor der Wahl zum Europaparlament hat der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger einen Mangel an europapolitischen Visionen in Deutschland beklagt. "Die deutsche Politik (...) führt eine primär nationale Debatte", sagte Oettinger dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". "Es fehlen die größeren Überlegungen und Visionen. Es dominiert das kleine Karo."
Verwundert zeigte sich der CDU-Politiker beispielsweise, das Deutschland in "entscheidenden Sitzungen auf EU-Ebene" über den EU-Haushalt nicht Farbe bekenne. "In der Koalitionsvereinbarung steht sinngemäß: Deutschland ist bereit, mehr in den Europäischen Haushalt einzuzahlen, um neue Aufgaben zu finanzieren und die Brexit-Lücke in Teilen zu schließen. Aber genau diese Aussage ist bisher nur auf dem Papier in Berlin zu finden, aber nicht auch nur in einem einzigen Protokoll einer EU-Ratssitzung", sagte er.
Zur Haltung Berlins zu den EU-Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte Oettinger: "Ich finde, dass die Bundesregierung auch zu lange mit ihrer konstruktiven Erwiderung auf die Rede Macrons an der Sorbonne gewartet hat, die kurz nach der Bundestagswahl gehalten wurde und die in Grundzügen auch mit Berlin abgestimmt war." Generell kämen wenig Impulse in der Europapolitik aus Berlin. "Der Koalitionsvertrag von 2018 trägt immerhin den Titel "Ein neuer Aufbruch für Europa". Davon habe ich bisher wenig oder gar nichts gespürt."/hn/DP/he
AXC0028 2019-05-05/14:42