Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Europäische Union zu Geschlossenheit und Innovation gemahnt. "Die Welt schläft nicht", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag beim EU-Sondergipfel im rumänischen Sibiu. Überschattet wurde das Treffen zur Zukunft der EU von der neuen Eskalation zwischen den USA und dem Iran wegen des Atomabkommens, der die EU mehr oder weniger hilflos zusehen muss. Gestritten wurde am Rande bereits über die Vergabe der EU-Spitzenjobs nach der Europawahl in zwei Wochen.
Der Gipfel ohne Großbritannien sollte kurz vor der Wahl ein Signal des Aufbruchs für die 27 bleibenden EU-Staaten nach dem geplanten Brexit setzen. Thema war die "strategische Agenda" für die nächsten fünf Jahre. Eine "Erklärung von Sibiu" bekräftigt die EU-Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Die bereits im Entwurf bekannte Erklärung betont darüber hinaus die enge und faire Zusammenarbeit sowie eine stärkere Rolle für Europa auf der Weltbühne.
Merkel betonte bei ihrer Ankunft die symbolische Bedeutung des Gipfels 30 Jahre nach der Wende in Osteuropa. Unbeschadet aller politischen Unterschiede seien alle in der EU überzeugt, dass gemeinsames Handeln besser sei. Die EU müsse sich im internationalen Wettbewerb behaupten. "Wir müssen innovativ sein, wir müssen stark sein, wir müssen geeint sein. Und dafür werden wir heute werben."
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, Europa müsse vor allem in Wachstumstreiber wie Künstliche Intelligenz investieren. Er pochte auch abermals auf einen besseren Grenzschutz und einen gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel. Macron hatte schon vorab mit Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Portugal und Spanien in einem gemeinsamen Papier neue ehrgeizige Ziele gefordert: Die EU solle spätestens bis 2050 unter dem Strich keine Klimagase mehr in die Atmosphäre blasen. Macron sagte, er hoffe, dass auch Deutschland dies unterstützen werde.
Trotz aller Appelle der Einigkeit wurden auch in Sibiu Streitpunkte offenbar. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bekräftigte seine eigene Forderung nach einer Überarbeitung der EU-Verträge. Macrons Klimainitiative lehnte er aber klar ab, weil Frankreich sich zu sehr auf Atomkraft verlasse.
Uneins sind sich die Staats- und Regierungschefs auch über die Besetzung der EU-Spitzenposten nach der Wahl. Sie streiten unter anderem darüber, ob der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im Europaparlament auch Chef der EU-Kommission werden soll. Ob es eine Art Automatismus gibt, ist von großer Bedeutung für den deutschen Bewerber für das Amt, den CSU-Politiker Manfred Weber, der mit der Europäischen Volkspartei in Umfragen vorne liegt.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis warb für das Spitzenkandidaten-Modell und begründete dies damit, dass Wähler damit Einfluss auf die Auswahl der EU-Vertreter hätten. Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel hielt dagegen: Die Spitzenkandidaten seien nur eine Auswahl der Parteien und "keine gute Idee".
Eine Vorentscheidung fällt frühestens bei einem anvisierten Sondergipfel in Brüssel am 28. Mai - kurz nach den Wahltagen 23. bis 26 Mai. Doch muss sich Weber auf Gegenwind einstellen. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras positionierte sich klar: "Wir brauchen einen Präsidenten, der die Einheit der EU und ihre fundamentalen Ideen unterstützt: Solidarität, Demokratie, sozialer Zusammenhalt", sagte der Linke. "Dieser Präsident ist nicht Weber, das ist meine Position."/vsr/DP/fba
AXC0232 2019-05-09/13:25