FRANKFURT (Dow Jones)--Eine extrem spannende Handelswoche steht den Märkten bevor. Allein der Handelskonflikt zwischen den USA und China steht im Fokus. Abhängig von dessen Entwicklung sind Händler mittlerweile auf fast alles vorbereitet. Das Marktgeschehen sei strategisch kaum planbar, heißt es im Handel. Der Markt werde "zeilenweise gehandelt", das heißt mit jeder Schlagzeile oder einem Tweet aus Washington können Aktienwerte in Milliardenhöhe erschaffen oder vernichtet werden. Handelsspannen von um die 300 Punkte seien dann nicht unwahrscheinlich. Doch selbst bei guten Nachrichten aus China sollten Europäer nicht vergessen, dass sie mit ihren Autoexporten als nächste im Fadenkreuz von US-Präsident Donald Trump stehen werden.
Trump könnte sich verrechnet haben
Sorgen macht Investoren vor allem die Unberechenbarkeit von Trump. Denn er verstoße mit seiner Tweeterei praktisch gegen alle Regeln der internationalen Diplomatie und sei ein Unsicherheitsfaktor an sich für die Märkte. So hatte er vergangene Woche zunächst berichtet, dass die Gespräche auf gutem Wege seien. Wenige Tage später rief er dann blankes Entsetzen hervor, indem er den Streit mit der Einführung erweiterter Strafzölle eskalierte. Seine jüngsten Äußerungen über einen "wunderbaren" Briefwechsel mit dem chinesischen Präsidenten werden daher nicht mehr von allen Anlegern für bare Münze genommen.
Zudem könnte sich Trump verrechnet haben, warnt Martin Lück, Leiter der Kapitalmarktstrategie in Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Mit einem ähnlichen Vorgehen, kurz vor Vertragsabschluss der Gegenseite noch einmal einen "heftigen und möglichst unerwarteten Schuss vor den Bug zu verpassen", habe er bei den Verhandlungen mit Mexiko und Kanada Erfolg gehabt. Schon bei Treffen mit Nordkoreas Führer Kim Jong Un im Februar habe dies aber nicht funktioniert, möglicherweise verrechne er sich auch, wenn er auf ein schnelles Einknicken der Chinesen setze.
Noch hofft der Markt auf reine Verhandlungstaktik
Mit dem Inkrafttreten der erhöhten Zölle am Freitag zeigten sich die Märkte von Asien bis Europa nun überraschend entspannt. Man ordnet sie zunächst nur als Verhandlungstaktik ein. Dazu unterstreichen Strategen wie Paul Donovan von der UBS, dass die Zölle auf 200 Milliarden Dollar chinesischer Waren erst in rund zwei bis drei Wochen faktisch auf den Warenverkehr wirken werden. Denn sie gelten nur für Neubestellungen.
Die Verhandlungen gingen ja auch weiter, so dass Unternehmen ihre Preisgestaltung noch nicht anpassen müssten. Je länger sich diese aber hinzögen, desto größer werde der ökonomische Schaden, vor allem durch das Aufschieben von Investitionen. Den Märkten bleibe daher nichts anderes übrig, als Trumps Twitter-Feed genau zu beobachten. Und genauso volatil wie dessen Meinungen dürften dann die Märkte sein.
Chinas Zentralbank steht parat
Etwas stützend wirken Aussagen der chinesischen Zentralbank (PBOC), für Lockerungsmaßnahmen bereitzustehen. Das BIP-Wachstum in China könnte rund 0,3 Prozent verlieren durch die Strafzölle, sagte zum Beispiel Ma Jun vom geldpolitischen Komitee der PBOC und versicherte: "Die Auswirkung ist kontrollierbar". Die Zentralbank habe genügend Spielraum um die heimische Wirtschaft zu stützen und die Märkte vor externen Schocks zu schützen. "Damit könnte gerade die Einführung von Strafzöllen Lockerungsmaßnahmen wie Zinssenkungen in China positiv in den Vordergrund rutschen", sagte dazu ein Händler.
Leider vergessen: Danach sind Europas Autos dran
Dummerweise könnte der Markt aber auf die falschen Faktoren achten: So befürchtet Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel (D&R), dass es Trump nicht nur um Handelspolitik gehe: "Schlussendlich geht es darum, den Weg Chinas zum Technologieführer in vielen Zukunftsbranchen und zur neuen globalen Wirtschaftsmacht Nummer Eins aufzuhalten oder zumindest zu verzögern", vermutet Mumm als Motiv der US-Administration. Da Trump das Thema auch aus wahlkampftaktischen Gründen brauche, geht er davon aus, dass sich der Handelskonflikt "noch lange und immer wieder negativ" auf die Kapitalmärkte auswirken werde.
Doch selbst wenn sich im Handelsstreit zwischen China und den USA alles zum Guten wendet - für Europa wäre das nicht nur von Vorteil: Denn am Samstag, dem 18. Mai, läuft die Frist aus, in der Trump über die "Bedrohung der nationalen Sicherheit" durch europäische Autohersteller zu entscheiden hat. Angesichts der medialen Aufmerksamkeit gegenüber China dürften Investoren hierauf am wenigsten vorbereitet sein. Im Gegenteil, die Androhung von 25 Prozent Strafzoll gegen VW und besonders die Premiumhersteller BMW und Daimler dürfte für Schreckreaktionen sorgen. Bei einer eventuellen DAX-Erleichterungsrally dank China sollten Anleger dann auch mal über einen rechtzeitigen Ausstieg nachdenken.
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May 10, 2019 07:28 ET (11:28 GMT)
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