Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich dafür ausgesprochen, beim Strukturwandel nach dem Auslaufen der Braunkohleverstromung vorrangig auf neue Industrien zu setzen. Die von der Kohlekommission vorgeschlagene Förderung des Strukturwandels in Höhe von 40 Milliarden Euro in den kommenden 20 Jahren eröffne ganz neue Perspektiven, auch für Ostdeutschland, betonte der CDU-Politiker in seiner Rede auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow. "Wir müssen den Strukturwandel denken in Richtung Industriearbeitsplätze, weil diese die höchste Wertschöpfung haben."
So sei etwa in der Lausitz der Aufbau einer Batteriezellen-Produktion möglich, erläuterte der Minister. Altmaier verwies auf die Automobilindustrie, bei der Deutschland immer noch führend sei. "Wenn in absehbarer Zeit jeder weite Wagen ein Elektroauto ist, aber die Batterie aus Asien und die Technik für autonomes Fahren aus den USA kommt, dann verlieren wir die Hälfte der Wertschöpfung", warnte er.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) argumentierte ähnlich. "Ostdeutschland hat einen großen Mangel an Industrieforschung", sagte er. "Wir brauchen einen Ausbau dualer Studiengänge und müssen Unternehmen und Forschungseinrichtungen näher zusammenbringen." Außerdem sei der Ausbau der erneuerbaren Energien eine große Chance für ganz Ostdeutschland. Die Lausitz könne zur Blaupause für Strukturwandel in Europa werden, meinte Woidke. "Die großen, mittelständischen und kleinen Unternehmen müssen Hand in Hand gehen, damit ein erfolgreicher wirtschaftlicher Strukturwandel und eine nachhaltige Energiewende gelingen."
Angesichts des Fachkräftemangels in ostdeutschen Unternehmen sprach sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zudem für eine gezielte Anwerbung im Ausland aus. "Wir müssen uns um die Zuwanderung kümmern und um die Digitalisierung - darin liegt unsere Chance", sagte er auf dem Wirtschaftsforum. Er verwies darauf, dass Thüringen gezielt Auszubildende und Studenten aus Vietnam anwerbe. Hinzu kämen Programme in der Ukraine, Rumänien, Bulgarien und Italien. Angesichts des Bevölkerungsrückgangs sei neben einer familienfreundlicheren Politik die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte notwendig.
Dafür müssten Politik und Unternehmen aber auch daran arbeiten, die Stimmung in der deutschen Bevölkerung zu ändern, meinte Ramelow. "Bei gerade mal sechs Prozent Nichtdeutschen sind die Ängste vor Nichtdeutschen leider ziemlich weit verbreitet", sagte er. Der Weg führe über Unternehmen, die effektive Integrationsarbeit leisteten und vor Ort dafür sorgten, dass sich die Stimmung ändert. "Wenn wir das Feld den Schreihälsen überlassen, werden wir die nächste Katastrophe in den neuen Ländern erleben", warnte Ramelow.
Skeptisch zeigte sich hingegen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). "Wir haben in den letzten Jahren viel Zuwanderung erlebt, aber wir haben sie noch nicht bewältigt", sagte er. Grund für die negative demografische Entwicklung sei in erster Linie die niedrige Geburtenrate. "Wir brauchen eine familienfreundlichere Politik und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie in den Betrieben", forderte der Regierungschef. "Wir müssen unsere Probleme selbst lösen - andere Nationen können dies allenfalls abfedern."
Einig waren sich Ramelow und Haseloff darin, dass sich die Förderung von Unternehmen keinesfalls nur auf die Metropolen beschränken dürfe. "Tatsächlich ist ganz Thüringen ein ländlicher Raum mit einigen größeren Städten", meinte Ramelow. "Zentren wie Jena brauchen das Umfeld als Basis für die Entwicklung."/kp/DP/jha
AXC0203 2019-05-20/15:36