
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der US-Ökonom Barry Eichengreen hat die Budgetregeln für die Länder des Euroraums kritisiert und eine Vervollständigung der Bankenunion sowie eine Kapitalmarktunion gefordert. Eichengreen sagte bei einer Veranstaltung in Frankfurt, dass so das Fehlen einer Fiskalunion teilweise ausgeglichen werden könnte. Die weiterhin geringe grenzüberschreitende Arbeitskräftemobilität im Euroraum hat nach seiner Aussage auch gute Seiten.
"Ich schlage vor, den Ländern zu erlauben, auf Schocks in Eigenverantwortung zu reagieren", sagte Eichengreen bei einem Vortrag für das Center for Financial Studies. Das wäre ökonomisch sinnvoll und würde helfen, den gegen Europa gerichteten Populismus einzudämmen. Eichengreen hält die Einführung des Euro für einen - allerdings nicht mehr rückgängig zu machenden - Fehler, weil der Euroraum kein optimaler Währungsraum sei. Das bedeutet, dass die Länder unterschiedlich auf Schocks reagieren, so dass es für die Europäischen Zentralbank (EZB) schwer ist, die "richtige" Geldpolitik zu betreiben.
Der an der University of California in Berkeley lehrende Ökonomen zeigte in seinem Vortrag, dass sich die Korrelation bei Angebots- und Nachfrageschocks in den vergangenen 20 Jahren verändert hat: Bei der Euro-Einführung waren die späteren Krisenländer Griechenland, Spanien, Italien, Portugal am wenigsten mit Deutschland korreliert. Heute ist die Korrelation am stärksten, aber dafür haben sich Frankreich und die Benelux-Länder weiter von Deutschland entfernt.
Die Korrelation ist insgesamt weiterhin deutlich niedriger als die der anderen Wirtschaftsräume der USA mit der US-Ostküste. Begünstigt wird diese Entwicklung unter anderem von der höheren Arbeitskräftmobilität in den USA, die laut Eichengreen allerdings auch Nachteile hat. "Wenn Menschen abwandern, schadet das den Gebieten, die sie verlassen und das relativiert den ökonomischen Nutzen, den Arbeitskräftemobilität hat", sagte er.
Auch Fiskalpolitik und Finanzmärkte spielten beim Umgang mit Schocks eine Rolle. Eichengreen ist, basierend auf den Erfahrungen der USA, skeptisch, dass der Euroraum bald ein nennenswertes Budget haben wird. "Typischerweise führt ein Krieg zu fiskalischer Föderalisierung", sagte er. Europa werde hoffentlich nicht in einen solchen Krieg gezogen, es habe ja auch gar keine gemeinsame Armee. "Selbst auf die Flüchtlingskrise haben die Europäer national reagiert", sagte der Ökonom.
Um so wichtiger wäre es laut Eichengreen, dass Europa seine Bankenunion vollende und das Projekt einer Kapitalmarktunion in Angriff nehme. "In den USA ist die Kapitalmarktunion für die Bekämpfung von Schocks wichtiger als der fiskalische Föderalismus", sagte er.
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May 24, 2019 04:54 ET (08:54 GMT)
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