Mit einem umfangreichen Gesetzespaket wollen die Fraktionen von Union und SPD erreichen, dass mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen und Abschiebungen besser funktionieren. Allerdings gefällt das nicht allen in der SPD. Der Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft "Migration und Vielfalt", Aziz Bozkurt, rief die Bundestagsabgeordneten seiner Partei dazu auf, das Gesetz für eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht abzulehnen. Bozkurts Petition wurde bis Dienstag von mehr als hundert SPD-Mitgliedern - darunter einige SPD-Landtagsabgeordnete - unterzeichnet. Sollte eines der Gesetze durchfallen, wäre allerdings der gesamte Kompromiss in Gefahr, um den die Koalitionäre monatelang gerungen hatten.
"Dieses Migrationspaket ist bereits im Koalitionsvertrag vereinbart" und "ein guter Kompromiss", stellte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl fest. Es verbinde ein humanitäres Asylrecht mit Integrationsangeboten und biete Chancen für ausländische Fachkräfte, die in Deutschland gebraucht würden.
Högl betonte: "Das ist kein Einwanderungsbegrenzungsgesetz." Dies müsse die Regierung den Bürgern auch klar sagen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), sagte: "Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein Meilenstein in der Migrationspolitik." Es gehe im Kern darum, "dass wir eine scharfe Trennung zwischen legaler und illegaler Migration schaffen, dass wir zwischen Asyl- und Arbeitsmigration trennen", sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU). Wer kein Bleiberecht habe, müsse Deutschland möglichst schnell wieder verlassen. Er verwies darauf, dass die Zahl der erfolgreichen Abschiebungen 2018 erstmals geringer war als die Zahl der gescheiterten Abschiebungen.
Die große Koalition einigte sich in ihren abschließenden Beratungen auch darauf, die Rücknahmefrist für erschlichene Einbürgerungen von fünf auf zehn Jahre zu verlängern. Bislang kann eine Einbürgerung nur rückgängig gemacht werden, wenn sich bereits innerhalb der ersten fünf Jahre herausstellte, dass der Neubürger gar nicht derjenige ist, als der er sich ausgegeben hatte. Dass diese Frist nun verlängert werden soll, war auch ein Wunsch der Länder. Nach Informationen des Bundesinnenministeriums waren Fälle aktenkundig geworden, in denen eingebürgerte Ausländer kurz nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist eine Korrektur ihrer Personalien erbeten hatten - etwa für eine Heirat oder um erben zu können.
Die geplante Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes beinhaltet auch ein Einbürgerungsverbot für Ausländer, die in Mehrehe leben. Sie regelt zudem den Passentzug für Doppelstaatler, die sich einer Terrormiliz wie dem sogenannten Islamischen Staat (IS) anschließen.
Die Oppositionsparteien - mit Ausnahme der AfD - beklagten sich über das hohe Tempo der Beratungen zu dem Gesetzespaket. Die für diesen Mittwoch vorgesehenen Beratungen im Innenausschuss sollten verschoben werden, forderten Grüne und Linke.
Zu den Änderungen, die die Koalition anstrebt, gehört auch eine längere Verweildauer von Asylbewerbern in Erstaufnahmeeinrichtungen. Alleinstehende Erwachsene sollen künftig im Regelfall bis zu 18 Monate dort wohnen. Bisher ist vorgesehen, dass sie nach einem halben Jahr auf die Kommunen verteilt werden. Noch länger als eineinhalb Jahre sollen Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern und "Identitätstäuscher" bleiben. Für Familien gelten kürzere Fristen.
Damit Ausreisepflichtige vor einer geplanten Abschiebung nicht mehr untertauchen können, soll die Polizei mehr Befugnisse erhalten. Die Beamten sollen auf Anordnung eines Richters die Wohnung des betroffenen Ausländers durchsuchen dürfen. Bei "Gefahr im Verzug" könne diese Durchsuchung auch von der Behörde angeordnet werden, die für die Abschiebung zuständig ist. Die Hürden für Abschiebegewahrsam sollen gesenkt werden.
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt sagte: "Das Tor zur überfallartigen Festnahme zum Transport in den Ausreisegewahrsam wird schrankenlos geöffnet." Die Grünen-Innenpolitikerin Filiz Polat sagte, der Grundtenor der acht Gesetzentwürfe zum Asyl- und Aufenthaltsrecht sei "ausgrenzen, abschrecken, abschieben".
Bei den von SPD und Union vorgenommenen Nachbesserungen an den Regierungsentwürfen geht es nicht nur um Gesetzesverschärfungen. In einem Änderungsantrag heißt es, Geduldeten, bei denen die Durchsetzung der Ausreisepflicht in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei, solle der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Außerdem wurde der Kreis der ausländischen Abiturienten, die zur Suche nach einem Ausbildungsplatz nach Deutschland einreisen dürfen, erweitert./abc/DP/fba
AXC0235 2019-06-04/16:26