--EU-Kommission reichten Zugeständnisse nicht aus
--Brüssel hatte Wettbewerbsbedenken bei Autostahlprodukten und Verpackungsstahl
--Unklar, ob Thyssenkrupp Rechtsmittel einlegt
(NEU: Weitere Aussagen von Wettbewerbskommissarin Vestager, Hintergrund)
Von Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Die EU-Kommission hat die von Thyssenkrupp und Tata Steel faktisch ad acta gelegte Fusion ihrer europäischen Stahlaktivitäten nun auch offiziell untersagt. Bei Verpackungsstahl für Lebensmittel und Getränke als auch bei feuerverzinktem Stahl für die Autobranche wäre wirksamer Wettbewerb bei einem Zusammenschluss nicht mehr gewährleistet gewesen, argumentierte die Kommission. Die beiden Unternehmen hätten keine geeigneten Abhilfemaßnahmen angeboten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen.
In der vorgesehenen Form "hätte der Zusammenschluss ... zu einem Anstieg der Preise geführt", erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Abnehmer hätten auch nicht auf Importprodukte zurückgreifen können, um möglicherweise drohende Preiserhöhungen zu umgehen. Um "ernsthaften Schaden von europäischen Industriekunden und Verbrauchern abzuwenden", habe die Kommission deshalb das Joint Venture nicht genehmigt. 2017 hatten Thyssenkrupp und Tata die Fusion von Nummer zwei und drei der europäischen Flachstahlbranche angekündigt.
Unklar ist derzeit, ob die Beteiligten Rechtsmittel beim Europäischen Gericht in Luxemburg einlegen werden. "Die Untersagung des Joint Ventures war uns bereits am 10. Mai angekündigt worden", sagte ein Sprecher auf Anfrage. "Heute hat uns die EU-Kommission die Entscheidung übermittelt."
Das Fusionsverbot ist bereits das zweite, dass Brüssel in diesem Jahr ausgesprochen hat. Schon im Februar hatte Wettbewerbskommissarin Vestager den geplanten Zusammenschluss der Siemens-Bahntechniksparte mit dem französischen Wettbewerber Alstom untersagt. Damals hatten die Beteiligten argumentiert, nur zusammen könnten sie dem chinesischen Eisenbahngiganten CRRC Paroli bieten. Die EU dagegen sah den Wettbewerb bei Hochgeschwindigkeiteszügen und in der Signaltechnik bedroht. Auch politisch sorgte der Fall damals für Aufsehen. Das Instrumentarium der Kartellbehörde sei in der globalen Situation mit dem wachsenden Protektionismus in verschiedenen Ländern nicht mehr angemessen, hieß es aus Berlin und in Paris.
Vestager wehrte sich am Dienstag gegen die Kritik, sie blockiere Fusionen, mit denen die Beteiligten nur ihre globale Wettbewersfähigkeit sichern wollten. In den vergangenen zehn Jahren seien nur 10 von 3.000 Anträgen negativ beschieden worden, sagte sie.
Das Verbot für das Stahl-Joint-Venture kommt unterdessen nicht überraschend. Thyssenkrupp und Tata Steel hatten das vor fast einem Jahr besiegelte Vorhaben faktisch schon vor fast vier Wochen beerdigt, nachdem Vestager angedeutet hatte, dass für eine Freigabe weitergehende Zugeständnisse gemacht werden müssten. Unter anderem monierte die Kommission jetzt, dass die Beteiligten nicht bereit waren, Anlagen für Vorprodukte im Autostahl abzugeben. Damit hätten die Beteiligten wohl auch Hochöfen abgeben oder schließen müssen. Auch beim Weißblech sah Brüssel weitgehende Überschneidungen.
Aus Sicht der beteiligten Stahlkonzerne hätten weitergehende Zugeständnisse aber die industrielle Logik des Zusammenschlusses beschädigt. Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff vollzog deshalb Anfang Mai eine strategische Kehrtwende und sagte in Erwartung des Scheiterns der Stahlfusion auch die bereits eingeleitete Konzernteilung ab. Stattdessen ist ein Umbau geplant, der tausende Jobs kosten wird und Stahlerzeugung sowie Werkstoffhandel wieder in den Mittelpunkt des Essener Konzerns stellt. Dafür soll die renditestarke Aufzugssparte an die Börse gebracht werden. Der finnische Wettbewerber Kone hat bereits sein Interesse an einer Übernahme kundgetan.
Tata Steel hingegen sucht nach einzelnen Käufern für seine verschiedenen Stahlaktivitäten in Europa. Den indischen Konzern drücken hohe Schulden. Die Branche ist von erheblichen Überkapazitäten geprägt, angesichts rückläufiger Nachfrage aus der Autobranche fielen zuletzt die Preise. Europas Marktführer Arcelormittel, der noch im vergangenen Jahr den italienischen Wettbewerber Ilva übernommen hatte, kündigte Anfang Mai an, die Jahreserzeugung um 3 Millionen Tonnen zu verringern.
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June 11, 2019 10:31 ET (14:31 GMT)
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