12. Juni 2019. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Der DAX steigt und deutsche
Anleger halten sich zurück. Das bringt viel Potenzial mit sich.
Seit unserer vergangenen Stimmungsumfrage hat sich die Rallye an den
Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks zumindest bis gestern
eindrucksvoll fortgesetzt. Die Argumente dafür waren schnell gefunden: Die
Risikofreude sei zurückgekehrt, hieß es, und man sei in hoffnungsvoller
Erwartung, dass die US-Notenbank schon bald den Leitzins deutlich senken
werde. Und die Einigung zwischen den USA und Mexiko in letzter Minute, bevor
die angedrohten Strafzölle von US-Präsident Donald Trump am Montag in Kraft
getreten wären, schien die Fantasie vieler Börsianer positiv zu beflügeln.
Dabei ist keineswegs sichergestellt, dass die Einigung zwischen den USA und
Mexiko zur Eindämmung der Flüchtlingsströme tatsächlich nachhaltiger Natur
sein wird. Denn die US-Administration machte unmissverständlich deutlich,
dass sie in den kommenden Wochen von Mexiko Resultate sehen möchte,
ansonsten würde das Strafzoll-Thema ganz schnell wieder aufkochen. Auch im
US-chinesischen Handelsstreit gibt es eigentlich kaum Zeichen einer
Entspannung. Und was mögliche Zinssenkungen der US-Notenbank angeht, sind
die Erwartungen einiger Finanzmarktteilnehmer möglicherweise überzogen.
Dieser Ansicht mögen auch die von uns wöchentlich befragten mittelfristig
orientierten institutionellen Anleger auf den ersten Blick gewesen sein. So
ist deren Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche wieder um
17 Punkte auf einen Stand von -5 Punkte gefallen. Dabei dürften kritische
Überlegungen, dass die Börsenrallye womöglich überzogen sei, jedoch nur eine
sekundäre Rolle gespielt haben. In erster Linie haben sich nämlich die
Optimisten der Vorwoche erwartungsgemäß - möglicherweise in der von uns
anvisierten Zone zwischen 12.100 und 12.200 DAX-Zählern - von ihren
Engagements getrennt, um die aufgelaufenen Gewinne zu realisieren.
Allerdings hat der Mut nur selten dazu gereicht, tatsächlich bearishe
Engagements zu eröffnen. So zog es vielmehr fast 80 Prozent der Optimisten
aus der Vorwoche ins Lager der neutral gestimmten Akteure, das mit 41
Prozent aller Befragten den höchsten Stand seit Beginn unserer
Aufzeichnungen im August 2002 erreichte.
Abwartend und etwas orientierungslos
Auch bei den Privatanlegern konnten wir eine leichte Tendenz zu
Gewinnmitnahmen feststellen, denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses
Panels fiel um 4 Punkte auf einen Stand von +3. Auch hier dürften in erster
Linie - wenn auch in viel geringerem Umfang - Gewinnmitnahmen für den
Rückgang des Optimismus maßgeblich gewesen sein.
Rückblickend bleibt festzuhalten, dass sich vor allem die institutionellen
Anleger während der vergangenen Wochen trotz der Alarmglocken, die Ende Mai
vielerorts geläutet wurden, und der anschließenden, für viele Akteure
überraschend einsetzenden Rallye während der ersten zehn Tage dieses Monats
gut geschlagen haben. Allerdings scheinen viele Investoren - trotz aller
Handelserfolge - nicht noch einmal auf einen Rückgang des DAX wetten zu
wollen. Genauso wenig besteht allerdings Neigung, noch auf weitere
Aufwärtsbewegungen des DAX zu setzen. Der Rekordstand bei den neutral
gestimmten Marktteilnehmern von 41 Prozent aller Befragten belegt diese
Haltung.
Unter den derzeit verbliebenen Investoren ist per Saldo ein leichter
Pessimismus festzustellen, der auf Sicht von sechs Monaten allerdings schon
recht deutlich ausfällt. Deswegen ist das Börsenbarometer im Falle stärkerer
Rücksetzer durch etwaige Nachfrage der jüngsten Pessimisten an der
Unterseite recht gut geschützt. Außerdem können wir uns gut vorstellen, dass
die hohe Zurückhaltung unserer Panel-Teilnehmer in dem Moment aufgehoben
wird, wenn der DAX wieder günstig/kaufenswert (möglicherweise zwischen
11.900 und 11.950 Zählern) erscheint. Mit anderen Worten: Der DAX steht
nicht schlecht da.
12. Juni 2019, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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