Von Andreas Kißler
KIEL/BERLIN (Dow Jones)--Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat Deutschland eine deutlich ungünstigere Entwicklung vorhergesagt als zuvor andere Forscher und seine Prognosen deutlich gesenkt. "Die deutsche Konjunktur kühlt sich deutlich ab, und die globale politische Unsicherheit setzt der deutschen Wirtschaft zu", erklärte das IfW. Die Ökonomen senkten ihre Prognose für 2019 auf 0,6 Prozent und für 2020 auf 1,6 Prozent. Bisher hatten sie ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,0 Prozent im laufenden und 1,8 Prozent im kommenden Jahr erwartet.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte hingegen am Morgen seine Wachstumsprognosen für dieses und nächstes Jahr nur leicht nach unten korrigiert. Das IfW erwartet nun ein Wachstum von 0,9 Prozent für dieses und 1,7 Prozent für kommendes Jahr und bescheinigte der deutschen Wirtschaft, weiter "gut aufgestellt" zu sein.
"Die Grundtendenz der Konjunktur hat sich deutlich abgeschwächt", erklärte hingegen das Kieler IfW. Der Anstieg des BIP im ersten Quartal um 0,4 Prozent sei vor allem Sonderfaktoren geschuldet wie Aufholeffekten in der Autoindustrie nach Problemen mit dem Prüfverfahren WLTP. Für das zweite Quartal zeichne sich sogar ein leichter BIP-Rückgang ab. Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte danach zwar wieder zulegen, aber nur in moderatem Tempo. "Insgesamt nimmt die gesamtwirtschaftliche Auslastung ab", erklärten die Ökonomen. Die vergleichsweise hohe Zuwachsrate für das kommende Jahr gehe zu 0,4 Prozentpunkten auf eine hohe Anzahl an Werktagen zurück.
Insgesamt sei das Konjunkturbild uneinheitlich. Während die industrielle Auslastung deutlich nachgebe und der Dienstleistungssektor nur moderat zulege, dauere der Bauboom an. Der private Konsum dürfte dank weiter kräftig steigender Einkommen mit Raten von 1,7 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr wieder spürbar anziehen. Die Exporte werden zwar allmählich wieder Tritt fassen, aber mit Raten von 1,2 Prozent 2019 und 3,5 Prozent 2020 nur moderat steigen. Die Arbeitslosigkeit dürfte nach den Kieler Berechnungen kaum noch weiter sinken. Die Arbeitslosenquote soll nach der Prognose dieses Jahr bei 4,9 Prozent und nächstes Jahr bei 4,8 Prozent liegen.
IfW-Präsident Gabriel Felbermayr forderte eine Unternehmenssteuerreform und eine Abschaffung des Solidaritätszuschlages. "An der globalen politischen Unsicherheit, die die Unternehmen hierzulande belastet, kann die deutsche Politik wenig ändern", hob er hervor. "An der Standortqualität hingegen schon." IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths betonte, die deutsche Wirtschaft befinde sich im Abschwung, "nicht im Absturz". Ähnlich wie der langgezogene Aufschwung könnte nun auch die Entspannung nach dem Boom milder ausfallen als in früheren Zyklen. Eine steuerliche Entlastung der Unternehmen würde jetzt "besser in die konjunkturelle Landschaft passen".
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June 13, 2019 05:09 ET (09:09 GMT)
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