Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht sich nach den Worten von EZB-Direktor Benoit Coeure von den aktuellen Obergrenzen des Staatsanleihekaufprogramms (EAPP) nicht in ihrer Fähigkeit zu einer weiteren geldpolitischen Lockerung eingeschränkt. In einem Interview mit der Financial Times (FT) äußerte sich Coeure außerdem besorgt über die Entwicklung der Anleihemärkte.
Coeure verwies in dem FT-Interview darauf, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwar die Relevanz und Nützlichkeit von Obergrenzen bei Ankaufprogrammen betont habe, zugleich aber auch die Bedeutung einer freien Wahl der Instrumente für die Geldpolitik der EZB. "Die Grenzen sind unsere eigenen", sagte Coeure.
Gegenwärtig dürften die Zentralbanken des Euroraums nicht mehr als 33 Prozent der Anleihen eines einzelnen staatlichen Emittenten besitzen (Emittentenlimit), und auch für die Anteile an jeder einzelnen Emission gilt diese Obergrenze. Coeure wies darauf hin, dass das Emittentenlimit bei Anleihen supranationaler Organisationen bereits bei 50 Prozent liege und sagte: "Ich sage nicht, dass wir diesen Weg einschlagen müssen, aber wenn unser Preisstabilitätsziel das erfordert, ist eine detaillierte Diskussion darüber möglich."
Analysten gehen davon aus, dass einzelne Zentralbanken des Eurosystems knapp 33 Prozent der Staatsanleihen ihres Staats halten, so dass eine Wiederaufnahme der Nettoanleihekäufe, wie sei derzeit im EZB-Rat diskutiert wird, zumindest in diesen Staaten nicht möglich wäre.
Die Wirtschaft des Euroraums läuft nach Coeures Einschätzung gar nicht so schlecht, weil sich die Schwächen gegenwärtig auf den verarbeitenden Sektor beschränken. "Allerdings sind die Signale, die von den Finanzmärkten kommen, alarmierend", sagte Coeure und ergänzte: "Die Preiskonstellation an den Anleihemärkten zeichnet ein sehr düsteres Bild der Weltwirtschaft."
Zentralbanken dürften solche Signale niemals ignorieren, sollten ihnen andererseits aber auch nicht blind folgen. "Wir müssen versuchen, die Divergenz von Marktpreisen und Konjunkturdaten zu verstehen", sagte Coeure. Eine Wiederaufnahme von QE oder Zinssenkungen seien bisher nur Notfallpläne, aber "bei einem unserer nächsten Meetings könnten wir durchaus in einer Situation sein, wo die Risiken eingetreten sind".
Die Frage sei nicht, ob die EZB Instrumente habe, sondern welches unter den jeweiligen Umständen die richtige Kombination der Instrumente wäre. Ein System abgestufter Einlagenzinsen für den Fall einer weiteren Zinssenkung wird im EZB-Rat laut Coeure derzeit für nicht notwendig gehalten. Der Rat prüfe das aber fortlaufend.
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June 17, 2019 05:55 ET (09:55 GMT)
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