BERLIN (Dow Jones)--Der im Koalitionsausschuss vereinbarte Kompromiss zur Reform der Grundsteuer soll nach Erwartungen in der Unions-Bundestagsfraktion eine positive Konkurrenz bei Bund und Ländern um die praktikabelsten Lösungen bewirken. "Wir sind sicher, dass das einen Wettbewerb auslösen kann über das beste Modell", sagte Fraktionsvize Andreas Jung zu Journalisten in Berlin.
Jung nannte es "denkbar", dass auch FDP und Grüne einer Grundgesetzänderung zustimmen, um einen Weg zu ermöglichen. Den Vorwurf, nun drohe ein "Flickenteppich" unterschiedlicher Regelungen, wies er mit dem Argument zurück, bereits jetzt gebe es in jeder Kommune einen eigenen Satz. Mit der umfassenden Öffnung für eigene Ländergesetze würden "passgenaue Lösungen ermöglicht". Wer von dem Bundesgesetz abweiche, solle aber keine Vorteile beim Länderfinanzausgleich haben, sagte Jung.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sah deshalb in dem Grundsteuer-Kompromiss ein Zeichen für "Solidarität im föderalen Deutschland". Die neue Möglichkeit einzelner Länder, abweichende Regelungen zu treffen, sei eingebettet in die Verständigung, dass das Bundesgesetz der Maßstab für den Finanzausgleich unter den Ländern bleiben werde. Wie auch heute schon werde der Wert der Grundstücke und Gebäude für die Steuer maßgeblich sein. "Sie wird aber künftig viel einfacher berechnet und gerechter ausgestaltet sein als bisher", sagte Scholz dem Handelsblatt.
Gesetzentwurf Mittwoch im Kabinett
Nach monatelangem Streit hatte die Koalition bei dem Treffen eine Einigung erzielt. Das Gesetzespaket, in dessen Entwürfe Dow Jones Newswires Einblick hatte, sieht vor, das Grundgesetz zu ändern und "dem Bund ausdrücklich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen".
Die Länder sollen es aber später durch eigene Regeln außer Kraft setzen dürfen. Laut dem Gesetzestext soll ihnen "das Recht zu abweichenden Regelungen" eingeräumt werden. Aus Koalitionskreisen hieß es, die Gesetzesänderungen sollten am Mittwoch im Kabinett gebilligt und dann bereits am Ende der nächsten Woche in erster Lesung im Bundestag beraten werden.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eine Gesetzesregelung, die auf wertabhängigen Komponenten wie dem Grundstückswert und der Durchschnittsmiete basiert. Die Unions-Fraktion und Bayern hatten aber auf eine Länder-Öffnungsklausel bestanden. Bayern will ein eigenes Gesetz, dass sich rein an der Fläche orientiert. Die neue Regelung macht dies möglich. "Bayern kann damit ein einfaches, wertunabhängiges Modell umsetzen, das zu keinen Steuererhöhungen oder weiterer Bürokratie führt", lobte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Die FDP knüpfte ihre mögliche Zustimmung zu einer Grundgesetzänderung im Bundestag bereits an Bedingungen. "Weil sich Union und SPD nicht auf einen gemeinsamen Ansatz einigen können, brauchen sie jetzt die Opposition", betonte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar. "Klar ist: Gemeinsame Lösungen gibt es nur nach Verhandlungen auf Augenhöhe." Die FDP wolle eine gute und unbürokratische Lösung bei der Grundsteuer.
Scholz muss die Grundsteuer reformieren, weil das Bundesverfassungsgericht das bisherige Verfahren moniert und eine Neuregelung bis Jahresende verlangt hat. Für die Umsetzung haben die Verfassungsrichter der Politik aber Zeit bis Ende 2024 gegeben. Auch abweichendes Landesrecht soll nach dem Entwurf "frühestens für Zeiträume ab dem 1. Januar 2025 zugrunde gelegt werden". Stünde bis Jahresende kein Gesetz, entgingen den Kommunen jährliche Einnahmen von fast 15 Milliarden Euro.
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June 17, 2019 09:36 ET (13:36 GMT)
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