19. Juni 2019. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Während private Anleger weiter
abwarten, mussten etliche professionelle Anleger gestern dem davonlaufenden
Markt nacheilen und kaufen. Was Aktien nach oben begrenzen könnte.
Haben sich die internationalen Fondsmanager regelrecht in eine sich selbst
verstärkende Abwärtsspirale hineingehandelt? Diesen Eindruck könnte man
gewinnen, wenn man sich das Ergebnis der jüngsten BofA Merrill Lynch-Umfrage
vor Augen führt, die zwischen dem 7. und 13. Juni erhoben wurde. Denn die
internationalen Fondsmanager sind so bearish wie seit der Finanzkrise im
Jahr 2008 nicht mehr. Netto 21 Prozent gaben an, in Aktien untergewichtet zu
sein. Nicht nur handelt es sich dabei um die stärkste Untergewichtung seit
März 2009 - dem Monat, in dem die Börsen dies- und jenseits des Atlantiks
ihr tiefstes Niveau infolge der Finanzkrise markierten. Gleichzeitig ist die
Kassequote der Fondsmanager auf 5,6 Prozent (Europa 5,1 Prozent) gesprungen
und damit so hoch wie zuletzt im August 2011. Und wenn man auch noch die
Anlagen in Anleihen hinzuzieht, die im gleichen Zeitraum im Juni dieses
Jahres den höchsten Stand erreichten, kann man durchaus behaupten, die
internationalen Investoren seien auf einen "worst case" gut vorbereitet.
Eine Situation, die sie durch ihr Anlageverhalten womöglich verstärkt haben.
Denn gleichzeitig sind die Anleihe-Renditen gefallen, und diese gehen als
Daten in verschiedene Modelle ein, nach deren Berechnung wiederum eine
baldige globale Rezession wahrscheinlicher wird.
Umso bemerkenswerter ist die Stimmungslage bei den von uns allwöchentlich
befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren. Denn
obwohl die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) erst am
heutigen Abend zu Ende gehen wird, hat sich der Optimismus in diesem Panel
gegenüber der Vorwoche, gemessen an unserem Börse Frankfurt Sentiment-Index,
um 15 Punkte auf einen Stand von +10 Punkte verbessert. Dabei hat die Gruppe
der Bullen im Großen und Ganzen von Zuwanderern aus der Gruppe vormals
neutral gestimmter Akteure profitiert, die bekanntlich in der Vorwoche mit
einem Anteil von 41 Prozent aller Befragten ein Allzeithoch erreicht hatte.
Die Entwicklung des DAX seit unserer vergangenen Erhebung zeigt, dass
wahrscheinlich nur ein Teil dieser Investoren in die leichte DAX-Schwäche
zur gestrigen Eröffnung unter der 12.000er Marke hineingekauft hat. Der
Großteil dürfte wahrscheinlich der Marktentwicklung hinterher gelaufen sein,
als EZB-Präsident Mario Draghi mit seinem überraschenden Statement
aufwartete, die ohnehin schon expansive Geldpolitik in der Eurozone, falls
erforderlich, weiter zu lockern.
Zum Kaufen gezwungen?
Vergleichsweise wenig Handlungsbedarf dürften per Saldo die Privatanleger
gesehen haben. Zwar hat sich die Polarisierung zwischen Bullen und Bären zu
Lasten vormals neutral gestimmter Akteure etwas erhöht, aber letztlich ist
der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels sogar um 2 Punkte auf
einen Stand von +1 gefallen.
Mit der heutigen Erhebung hat sich wieder einmal gezeigt, dass ein Teil der
institutionellen Investoren offenbar mehr Angst davor gehabt haben dürfte,
eine Aufwärtsbewegung an der Börse zu verpassen, als etwa vom Ausgang der
heutigen Sitzung der US-Notenbank enttäuscht zu werden. Weil die Erwartungen
der Marktteilnehmer an die Fed ausgesprochen hoch sind. Zumal hier und da
von einigen Marktbeobachtern insgeheim bereits eine Zinssenkung von 25
Basispunkten für heute fest in den Köpfen verankert ist. Insbesondere die
Sentiment-Entwicklung bei den institutionellen Akteuren zeigt, dass man sich
möglicherweise aufgrund der starken Entwicklung des DAX am gestrigen
Handelstag zum Kaufen gezwungen gefühlt haben mag. Zwar ist der derzeitige
Optimismus nicht überbordend, aber überwiegend hausgemacht. Denn, so zeigt
die vorgenannte BofA Merrill Lynch-Umfrage, die internationalen Investoren
waren vor einigen Tagen in Aktien der Eurozone noch recht deutlich (netto 8
Prozent aller Befragten) untergewichtet. Tatsächlich ist der jüngste
heimische Optimismus auf Sicht von sechs Monaten sogar relativ gering.
Allerdings glauben wir nicht, dass die neuen Optimisten - es handelt sich
immerhin um 16 Prozent aller Befragten - dem DAX nachhaltig treu bleiben
werden. Denn bereits kurz oberhalb des bisherigen Jahreshochs (ca. 12.500
Zähler) dürften deren Gewinnmitnahmen das in sich stabile Börsenbarometer
belasten.
19. Juni 2019, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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