BERLIN (Dow Jones)--Bei der anstehenden Abstimmung zur Reform der Grundsteuer erwartet die Union keine Blockade durch Grüne und FDP. Das erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Union, Antje Tillmann. Bei der umstrittenen Reform gehe es um die politische Verantwortung der Parteien. Denn bei der nötigen Grundgesetzänderung sei eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig und falls diese am Veto der Grünen oder der FDP scheitere, würden die Kommunen ohne ihre wichtige Einnahmequelle dastehen.
"Wir sind den beiden in zwei Richtungen entgegengekommen. Die Grünen legen massiv Wert darauf, dass die Grundsteuer nicht wegfällt. Deshalb müssen sie sich eigentlich schon beteiligen, damit sie nicht wegfällt", so Tillmann. "Und die FDP wollte ja von Anfang an, dass die Grundsteuer von den Ländern selber erhoben werden kann. Und da sind wir ihnen auch entgegengekommen."
Aus "völlig unverbindlichen" Vorgesprächen habe sie den Eindruck gewonnen, dass die Koalitionsparteien mit dem Kompromiss zur Reform der Grundsteuer "eine Chance" haben.
Der Bundestag wird bereits diese Woche die umstrittene Reform in einer ersten Lesung debattieren. Die Änderungen sind nötig, weil das Verfassungsgericht das bisherige Verfahren moniert und eine Neuregelung der Grundsteuer bis Jahresende verlangt hat. Der Kompromiss sieht nun eine bundeseinheitliche Regelung unter Berücksichtigung wertabhängiger Komponenten vor, von denen die Länder aber abweichen können.
Die auf Drängen der Union vereinbarte Öffnungsklausel für die Länder sei wichtig, da die Länder nun auf mögliche Probleme in ihren Regionen gezielter reagieren könnten. Denn das vorgesehene Bundesgesetz sehe beispielsweise keine Lösung für die erwartete Verteuerung der Grundsteuer in den Großstädten vor, so Tillmann.
Nach monatelangem Streit hatte die Koalition vor einer guten Woche eine Einigung über die Grundsteuerreform erzielt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eine Regelung, die auf wertabhängigen Komponenten wie dem Grundstückswert und der Durchschnittsmiete basiert. Wesentliche Faktoren sind der Bodenrichtwert und die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete. Weitere Faktoren sind die Grundstücksfläche, Immobilienart und das Alter des Gebäudes.
Auf den ermittelten Betrag wird dann in einem zweiten Schritt eine einheitliche Steuermesszahl von 0,034 Prozent gelegt. Auf den sich daraus ergebenden Steuermessbetrag wird der jeweilige kommunale Hebesatz angewendet. Für Immobilien des sozialen Wohnungsbaus und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften soll es einen Abschlag von 25 Prozent geben. Die Neubewertung soll erstmals zum 1. Januar 2022 erfolgen. Auf Grundlage der neuen Werte soll dann die Grundsteuer ab 2025 festgesetzt werden.
Die Unions-Fraktion und Bayern hatten jedoch auf eine Länder-Öffnungsklausel bestanden. Das Gesetzespaket sieht nun vor, das Grundgesetz zu ändern und "dem Bund ausdrücklich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu übertragen". Die Länder sollen es aber später durch eigene Regeln außer Kraft setzen dürfen. Laut dem Gesetzestext soll ihnen "das Recht zu abweichenden Regelungen" eingeräumt werden. Das ermöglicht Ländern wie Bayern eigene Gesetze, die sich auch rein an der Fläche orientieren.
Auch Christian Haase, kommunalpolitischer Sprecher des CDU/CSU-Bundestagsfraktion, begrüßte am Montag die Öffnungsklausel. Nach seinen Informationen prüften viele Länder, das von Scholz vorgestellte Bundesgesetz durch regional spezifische Regelungen zu ersetzen. Wie Tillmann erwartet auch Haase, dass die Opposition das Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer nicht verhindern werde. "Die Verantwortung will man weder bei den Grünen noch bei der FDP politisch übernehmen", so Haase.
Den Kommunen drohen jährliche Einnahmen von fast 15 Milliarden Euro zu entgehen, falls bis Jahresende kein Gesetz steht.
(Mitarbeit: Andreas Kißler)
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June 24, 2019 11:46 ET (15:46 GMT)
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