Von Manuel Priego-Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Wie es an den Börsen weitergeht, hängt entscheidend vom Verlauf des an diesem Wochenende in Osaka stattfindenden G20-Treffens ab. Wer darauf hofft, dass der US-chinesische Handelsstreit beigelegt wird, wird enttäuschend werden. Allerdings haben weder US-Präsident Donald Trump noch sein chinesischer Gegenpart Xi Jinping eine Interesse daran, dass die Lage weiter eskaliert. Ein Waffenstillstand käme an den Finanzmärkten gut an, das nur mäßige Wirtschaftswachstum und die schwierige Lage vieler Unternehmen wird allerdings einen Höhenflug an den Börsen verhindern. Vielmehr wird es volatil bleiben.
Für ein Ende des Handelskonflikts liegen die Positionen bei den grundsätzlichen Fragen wie beim Schutz von Patenten und anderen Rechten an geistigem Eigentum und der Bevorzugung chinesischer Staatsunternehmen einfach zu weit auseinander, merkt die Commerzbank an. Washington schätzt Peking in der Zwischenzeit als strategischen Rivalen ein, und das nicht nur im pazifisch-asiatischem Raum, sondern auch in Politik und Wirtschaft. Daher ist auch nicht davon auszugehen, dass die US-Regierung davon Abstand nimmt, chinesischen Anbietern von Telekommunikationstechnik den Zugang zum US-Markt zu verwehren, und gleiches von den Verbündeten zu fordern.
Trump braucht positive Schlagzeilen - US-Wahlkampf hat begonnen
Auch wenn China wegen seiner Exportabhängigkeit und seines geringeren wirtschaftlichen Gewichts angreifbarer erscheint, wird das Land nicht einfach einknicken. Peking hat langfristige Interessen und will bis 2025 Weltmarktführer in Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Robotik werden. Auch übt Peking vollkommene Kontrolle über das Finanzsystem aus und kann Zentralbank und die chinesischen Banken jederzeit anweisen, die Kreditschöpfung zur Stützung der Wirtschaft anzukurbeln. Hinzu kommt die totale Kontrolle über den Medienapparat, der im Bedarfsfall nicht zögern wird, an den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu appellieren.
Auch Trump braucht positive Schlagzeilen. In den USA hat der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr begonnen. Eine Rezession in den USA würde die Chancen auf eine Wiederwahl für Trump erheblich reduzieren. Genau das dürfte der Grund sein, warum Trump immer wieder zurückrudert, wenn die Lage aus dem Ruder zu laufen droht und es deswegen zu Abverkäufen an den Finanzmärkten kommt. Das wichtigste Stimmungsbarometer seiner Politik scheint für Trump ohnehin die Entwicklung des S&P-500 zu sein. Die Folge ist eine Politik aus Zuckerbrot und Peitsche, die scheinbar jeder Langfriststrategie entbehrt.
Die Commerzbank geht davon aus, dass die USA und China eine "Feuerpause in Sachen neuer Zölle" einlegen werden. Ähnlich sieht das die Union Bancaire Privée, die einen "ausgedehnten Waffenstillstand" für das wahrscheinlichste Szenario nach Osaka hält. Die Börsen werden eine Pause in Sachen Zölle erst einmal mit Kursaufschlägen begrüßen. Gestützt wird die Stimmung ohnehin von der Erwartung von zwei Zinssenkungen durch die US-Notenbank im laufenden Jahr und - als letzter (Gnaden-)Akt von EZB-Präsident Mario Draghi - einer Senkung des Einlagensatzes durch die EZB voraussichtlich im September.
Gewinnwarnungen von Daimler und Lufthansa werden keine Einzelfälle bleiben
Eine Börsenrally wird aber schnell an ihre Grenzen stoßen: Die Weltwirtschaft läuft weiter nur mit halber Motorleistung. Das sollten auch die US-Geschäftsklimaindizes sowie die deutschen Auftragseingänge in der kommenden Woche zeigen - in allen Fällen wird mit einer Verschlechterung gerechnet. Das verarbeitende Gewerbe in Europa befindet sich ohnehin bereits in der Rezession. Das bekommen auch die Unternehmen immer stärker zu spüren, wie die jüngsten Gewinnwarnungen von Lufthansa und Daimler zeigen. Evercore hat bereits davor gewarnt, dass der Daimler-Warnung noch viele andere aus dem Automobilsektor folgen werden.
Negative Nachrichten drohen auch aus dem Technologie-Sektor. Laut DWS verarbeitet (die mit Sanktionen belegte) Huawei sieben Prozent des weltweiten Angebots an Halbleitern, was sich mittlerweile in den gesenkten Prognosen von mehreren US-Halbleiterherstellern niedergeschlagen hat. Für den Gewinn der Unternehmen aus dem S&P-500 bezifferte DWS die negativen Folgen auf drei Prozentpunkte. Das spricht gegen neue Höchststände an den Börsen, sondern vielmehr für eine Fortsetzung des volatilen Seitwärtsmarktes. Sollte die Wirtschaft wider Erwarten doch noch in eine Rezession abrutschen, werden die Karten ohnehin völlig neu gemischt.
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June 28, 2019 06:00 ET (10:00 GMT)
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