Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold hat den Bund aufgefordert, viel energischer gegen Steuerkriminalität und legale Steuerschlupflöcher vorzugehen. Mit mehr politischem Willen könnte der Staat Mehreinnahmen in Milliardenhöhe erzielen, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Wir brauchen das Geld für Bildung, Digitalisierung, Integration und die Modernisierung unserer Infrastruktur." Dass die Koalition aus Union und SPD hier nicht energischer handle, sei ihr völlig unverständlich, sagte Heinold. "Möglicherweise ist es aus Angst vor irgendeiner Lobby." Immer wieder gelinge es Lobbyisten in Berlin, notwendige Gesetze zu verhindern.
Heinold bezweifelte, dass die Koalition noch die Kraft aufbringt, die Situation zu ändern. Vor allem beim Thema Steuergerechtigkeit sei Bayern der "Oberbremser", sagte Heinold. "Bayern nutzt die Tatsache, Teil der Koalition in Berlin zu sein, für Vollblockaden im Bundesrat
- selbst wenn es dort 15:1 oder 14:2 steht."
Die Kieler Ministerin sieht in drei Punkten besonders dringenden Handlungsbedarf. Zwingend notwendig sei eine Regelung für eine Anzeigepflicht für rein national und auch grenzüberschreitend wirkende Steuergestaltungen. "Wenn der Staat nicht früh weiß, wo Steuergestaltung stattfindet, dann ist das zwar rechtens, aber nicht in seinem Interesse".
Heinold beklagt auch, dass es seit Jahren keine Lösung gegen sogenannte Share Deals zur Umgehung der Grunderwerbsteuer gibt. Dabei werden statt Grundbesitz nur Anteile übertragen. So entgehen dem Staat pro Jahr geschätzt bis zu einer Milliarde Euro Steuereinnahmen. "Ich sehe hier ein klassisches Beispiel dafür, dass mehr Steuergerechtigkeit erreicht werden kann - wenn man es denn will."
Es gebe mittlerweile zwar ein Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums und einen Referentenentwurf, aber immer noch kein geeignetes Gesetz und keinen Kabinettsbeschluss, kritisierte Heinold. "Das ist dramatisch und ungerecht gegenüber dem kleinen Häuslebauer." Schleswig-Holstein hat mit 6,5 Prozent bundesweit den höchsten Satz bei der Grunderwerbsteuer. Das Land könnte diese Steuer senken oder beim Ersterwerb einer Immobilie aussetzen. "Dafür brauchen wir aber eine Gegenfinanzierung", sagte die Ministerin.
Extrem ärgerlich sei zudem die Steuerhinterziehung mit manipulierten Kassensystemen in Gaststätten und Geschäften. Damit entgehen dem deutschen Fiskus jährlich schätzungsweise zehn Milliarden Euro, von denen anteilig 150 bis 200 Millionen Euro auf Schleswig-Holstein entfallen. Mit immer komplexerer Software manipulieren Kriminelle Kassendaten so, dass viel Bargeld verschwindet und an der Steuer vorbeigeht.
Heinold kritisierte den Bund für die Weigerung, zur Unterbindung der Manipulationen das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte und seit Jahren in Hamburg erfolgreich für Taxameter eingesetzte "Insika"-Verfahren zu nutzen. Der Bundesrechnungshof habe bereits seit 2003 auf die großen Steuerausfälle hingewiesen.
Heinold hatte im Mai gemeinsam mit ihrem Hamburger Kollegen Andreas Dressel in einem Brandbrief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (beide SPD) auf die Problematik hingewiesen. Sie äußerten große Sorge, dass eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung, die den Schutz vor Kassenmanipulationen gewährleisten soll, nicht rechtzeitig zum Jahresende flächendeckend einsatzfähig sein wird. "Eine Antwort haben wir nicht bekommen", sagte Heinold.
Bund und Ländern entgingen unnötig viele Milliarden, die für Schulen, Straßen, Krankenhäuser, Schulen und Hochschulen benötigt würden, sagte Heinold. "Deshalb ärgere ich mich sehr über eine Bundesregierung, die es nicht schafft oder es nicht will, Steuersparmodelle einzudämmen und Steuerbetrug zu verhindern."
Ohne das Schließen der Steuerschlupflöcher werde es einem Land wie Schleswig-Holstein schon in normalen Haushaltsjahren schwerfallen, notwendige Investitionen zu finanzieren. Einem Gutachten zufolge sei das Land um jährlich eine Milliarde Euro unterfinanziert, die Kommunen um 500 Millionen. "Das sind dramatische Zahlen."/wsz/DP/he
AXC0031 2019-07-07/14:39