Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Städtetag hat an die Bundesregierung appelliert, "ein Zeichen für die von Altschulden geplagten Städte zu setzen". In der Regierungskommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" habe es dazu keine Einigung gegeben. "Umso mehr rufen wir als Städte dem Bund zu, sich einen Ruck zu geben und an einer Lösung des Altschuldenproblems finanziell mitzuwirken", sagte Städtetags-Präsident Burkhard Jung der Funke-Mediengruppe.
Jung beklagte, es gebe zu viele Städte in Deutschland, die fast keinen Handlungsspielraum mehr hätten. "Sie ächzen unter hohen Altschulden." Das wirke sich darauf aus, was sie ihren Bürgern anbieten könnten. Sichtbar werde das zum Beispiel beim Sanierungsstau bei Schulen, Schwimmbädern oder Straßen. "Die Bundesregierung will gleichwertige Lebensverhältnisse fördern. Daraus folgt, dass sie auch etwas gegen die kommunalen Altschulden tun muss", sagte Jung, der auf die Kassenkredite in Höhe von über 48 Milliarden Euro verwies, mit denen Kommunen laufende Ausgaben bestritten.
Der Bund müsse einen Beitrag leisten, um das Altschuldenproblem zu lösen. "Wir brauchen eine große gemeinsame Kraftanstrengung", mahnte der Leipziger Oberbürgermeister. Der Bund könne seine Beteiligung an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose erhöhen, schlug Jung vor.
Regierung will Förderpolitik neu justieren
Am Mittwoch will das Bundeskabinett Empfehlungen für gleichwertige Lebensverhältnisse beschließen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) soll den Angaben zufolge einen Vorschlag zum Abbau der Altschulden machen. Die Regierung stellt in dem Abschlussbericht der Kommission laut dem Blatt große Ungleichheiten zwischen den Regionen fest. Es bestünden "erhebliche Disparitäten in den regionalen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bei der Verkehrs- und Mobilfunkanbindung und beim Zugang zu Angeboten der Grundversorgung und Daseinsvorsorge".
Das Kabinett wolle nun eine Neujustierung der Struktur- und Förderpolitik beschließen, die sich nicht länger nach "Himmelsrichtung", sondern nach "Bedarfslagen" ausrichte. Dazu gehöre auch die Selbstverpflichtung der Regierung, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen als "Richtschnur bei allem politischen Handeln" zu nehmen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte unterdessen, gleichwertige Lebensverhältnisse als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. "Wir erwarten endlich konkrete Schritte, um dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland näherzukommen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Passauer Neuen Presse. "Das ist eine entscheidende Zukunftsfrage für unser Land." Um die ländlichen Räume insgesamt besser zu fördern, sei eine Grundgesetzänderung nötig. Die bisherige Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sollte zu einer Gemeinschaftsaufgabe "Ländliche Räume" umgebaut werden, so die Forderung.
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July 08, 2019 05:14 ET (09:14 GMT)
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