
Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Ein männlicher Europäer dürfte nach dem Willen der EU-Finanzminister neuer Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und damit Nachfolger von Christine Lagarde in dem Amt werden, sagte der luxemburgische Ressortchef Pierre Gramegna in Brüssel. "Meine persönliche Vermutung ist, es könnte ein Er sein", sagte Gramegna bei seinem Eintreffen zur Sitzung der Finanzminister der Europäischen Union (EU) auf die Frage, ob ein Mann Lagarde nachfolgen werde. Es werde sich "definitiv" um einen Europäer handeln.
Lagarde soll nach dem Willen der EU-Staats- und Regierungschefs neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Die Personalie ist Teil des Paketes, auf das sich die EU-Spitzen nach nächtelangen Verhandlungen geeinigt hatten und das Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als neue EU-Kommissionschefin vorsieht. Lagardes Nominierung für die EZB-Spitze wollen die Finanzminister bei ihrer Sitzung in Brüssel offiziell vornehmen.
Für die Nachfolge der Französin an der Spitze des IWF kursieren bereits zahlreiche Namen. Genannt werden unter anderem der Niederländer Jeroen Dijsselbloem, der Finne Alexander Stubb, der Brite George Osborne und der gegenwärtige britische Notenbankgouverneur Mark Carney, der Kanadier ist, aber auch die britische und die irische Staatsangehörigkeit besitzt.
Keiner der EU-Finanzminister hat aber bisher öffentlich einen Namen bestätigt. Der neue IWF-Chef solle jemand sein, der viel Erfahrung im internationalen Krisenmanagement habe "und der komplizierte Ideen auf einfache Weise kommunizieren kann", erklärte Gramegna, ohne einen Namen zu nennen. Lagarde ihrerseits sei für den neuen Job an der EZB-Spitze "ganz bestimmt" qualifiziert, sagte er auf eine Frage. "Christine Lagarde hat viel Erfahrung in ihrem Leben gesammelt und darum bin ich sehr zuversichtlich, dass sie das schaffen kann."
Maltas Finanzminister Edward Scicluna wollte ebenfalls niemanden nennen, zeigte sich aber sicher, dass es "eine ganze Reihe von Personen in Europa" gebe, die die Erfahrung und Fähigkeit für den Posten mitbringen. "Wir sollten schnell jemandem finden", erklärte auch er.
Irlands Finanzminister Paschal Donohoe betonte, dies solle "absolut ein europäischer Kandidat sein", der eine Verpflichtung zum Multilateralismus und ein Verständnis der Rolle Europas in der Weltwirtschaft demonstrieren könne. Donohoe mahnte zudem dazu, das vom Gipfel geschnürte Personalpaket müsse schnell in Kraft gesetzt werden, damit Europa im Herbst mit dem Brexit umgehen könne. "Vom Standort der irischen Regierung glauben wir nun, dass die Aussicht auf einen stattfindenden ungeordneten Brexit ein bedeutendes Risiko ist", hob er hervor.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte sich bereits am Vortag vor einem Treffen der Eurogruppe in Brüssel für eine schnelle Einigung der EU auf einen gemeinsamen europäischen Kandidaten zur Nachfolge Lagardes an der IWF-Spitze stark gemacht. "Was wir wollen, ist, dass es einen europäischen Kandidaten gibt, der ihr nachfolgt", hatte er gesagt. Andere Euro-Finanzminister hatten sich ähnlich geäußert.
Die Finanzminister der EU wollen bei ihrem Treffen außer über die Personalien auch eine Diskussion über die Eigenmittel und neuen Finanzierungsquellen der EU mit Blick auf den nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen für den Zeitraum 2021 bis 2027 führen und länderspezifische Empfehlungen zu Wirtschaftsreformen billigen. Zudem stellt die finnische Ratspräsidentschaft ihr Arbeitsprogramm zu Wirtschafts- und Finanzfragen vor. Finanzminister Mika Lintilä nannte vor dem Treffen als Schwerpunkte die Themen Wettbewerbsfähigkeit und soziale Kohäsion, Abmilderung des Klimawandels und Sicherheit im Finanzsektor.
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July 09, 2019 05:47 ET (09:47 GMT)
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