Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Die Energiewirtschaft fordert einen CO2-Preis, die sich am Emissionshandel orientiert und nicht staatlich festgesetzt wird. Die Sektoren Verkehr und Wärme sollten in Höhe des jeweiligen Zertifikatesystems bepreist werden, heißt es in einem Gutachten des RWI Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Ruhr-Universität Bochum, das der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Auftrag gegeben hatte. Zugleich müssten die Stromsteuern deutlich gesenkt und die einkommensschwächsten Haushalte entlastet werden.
Der Verband stellt sich damit gegen das von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) vorgeschlagene System einer politisch festgesetzten CO2-Steuer, die automatisch steigt. Ihr System sieht eine progressive Belastung von 35 Euro bis 180 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 vor. Im europäischen Emissionshandelssystem beträgt der Preis pro Tonne Kohlendioxid aktuell 26 Euro.
Das BDEW-Gutachten geht davon aus, dass dieser Handelspreis langfristig steigt, etwa indem die EU dies vorgibt oder indem bestehende Zertifikate gelöscht werden. Die Forscher gehen daher von drei möglichen Werten für eine Bepreisung von Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin aus: 25, 45 oder 65 Euro pro Tonne CO2. Dabei würde sich der Benzinpreis um 5,9 bis 15,4 Cent verteuern. Das klimaschädlichere Heizöl würde stärker steigen - zwischen 6,6 und 17,2 Cent.
Steuereinnahmen von mindestens 7,7 Milliarden Euro
Der BDEW erwartet dadurch insgesamt Steuereinkünfte von 7,7 bis 19,2 Milliarden Euro. Laut den Berechnungen würde ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne dem Staat somit bereits mehr einbringen als die bisherigen Stromsteuersätzen, die bei rund 6,9 Milliarden Euro liegen. Die Einnahmen sollten aus Sicht des Verbands daher vor allem in die Senkung der Stromsteuern auf das europäische Mindestmaß investiert werden. Für private Haushalte beträgt der von der EU vorgegebene Satz lediglich 0,1 Cent pro Kilowattstunde, in Deutschland sind es 2,05 Cent.
Einen weiteren Teil der Steuereinnahmen will der Verband an Bezieher von Wohngeld und Arbeitslosengeld II zurückzahlen. Diese Sozialmaßnahme würde 0,74 Milliarden Euro kosten, schätzt das RWI Leibnitz-Institut. Eine Pro-Kopf-Auszahlung, wie sie etwa das Bundesumweltministerium als "Klimaprämie" oder die Grünen als "Energiegeld" vorschlagen, lehnt der Verband indes ab. Davon würden zwar kinderreiche Familien besonders profitieren, einkommensschwache und oft allein lebende Rentner jedoch überhaupt nicht.
"Blockade bei CO2-Modellen auflösen"
BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer zeigte sich zuversichtlich, dass sein Vorschlag einer Bepreisung funktioniere: "Dieser Einstieg wäre nach unserer Einschätzung politisch mehrheitsfähig." Dagegen seien viele andere Konzepte entweder hochambitioniert oder rechtlich nicht schnell umsetzbar. "Diese Blockade müssen wir auflösen, sonst schafft Deutschland den Einstieg in eine CO2-Bepreisung nicht", so Kapferer.
Am Freitag stellen auch die Wirtschaftsweisen - der sogenannte Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - ihr Modell für eine CO2-Bepreisung in Deutschland vor. Das Gutachten hatte die Bundesregierung in Auftrag gegeben.
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July 09, 2019 06:10 ET (10:10 GMT)
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