BERLIN (Dow Jones)--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht gewaltige Kosten für einen möglicherweise von der Politik geplanten Ausgleich der zunehmenden wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern. "Wenn die Politik es mit den gleichwertigen Lebensbedingungen in Deutschland ernst meint, dann kostet das Geld, und zwar viel", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der Passauer Neuen Presse. "Wenn dies gelingen soll, dann reden wir über Größenordnungen wie die der Wiedervereinigung Deutschlands", hob der Ökonom hervor.
Fratzscher konstatierte vor allem "zunehmende Unterschiede zwischen Süd und Nord" und nicht mehr zwischen Ost- und Westdeutschland und regte eine "grundlegende Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs" an, um das Thema anzugehen. Zudem solle eine schnelle Entschuldung der Kommunen angegangen werden, und es müssten "die Länder und der Bund bei dieser Entschuldung helfen". 30 Prozent aller Kommunen seien mittlerweile so stark überschuldet, dass sie kaum mehr eigenständig wichtige Investitionen tätigen könnten.
Die Übernahme von Altschulden der Kommunen durch den Bund würde aber laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung für den Bund teuer. Nach den Berechnungen der Stiftung würde eine solche Lösung rund 27 Milliarden Euro kosten, plus Kompensationszahlungen an Bundesländer, deren Kommunen nicht von einer Übernahme der Schulden profitieren würden, berichtete das Handelsblatt. Den Berechnungen liegt eine Übernahme aller kommunalen Kassenkredite oberhalb von 500 Euro Verschuldung pro Kopf durch den Bund zugrunde.
Das Bundeskabinett hatte am Vortag auf der Basis von Vorschlägen der Regierungs-Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse beschlossen, die Förderstruktur grundlegend neu auszurichten. Innenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete das vom Bund beschlossene Programm als einen "großen Modernisierungsplan", bestritt aber, dass der Bund Altschulden übernehmen wolle. Die Regierung werde aber Gespräche mit Ländern, Kommunen, Verbänden und dem Bundestag aufnehmen, um einen "nationalen Konsens" zur Schuldenproblematik zu finden. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte, gegen die erdrückenden Altschulden vieler Kommunen müsse man "gemeinsam etwas tun".
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July 11, 2019 08:54 ET (12:54 GMT)
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