BERLIN (Dow Jones)--Ökonomen und Wirtschaftsvertreter haben sich angesichts der abermals gesunkenen ZEW-Konjunkturerwartungen skeptisch für die weitere Konjunkturentwicklung gezeigt. "Die vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW befragten Finanzmarktanalysten scheinen sich einig zu sein: Mit der deutschen Konjunktur geht es weiter bergab", konstatierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. Man frage sich, "woher kurzfristig Besserung kommen soll". So hinterlasse der anhaltende Auftragsschwund in der Industrie langsam tiefe Kerben in der Wirtschaftsentwicklung.
Die Konjunkturerwartungen von Finanzanalysten und institutionellen Investoren für Deutschland haben sich nach den neuen Daten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Juli nach einem Einbruch im Vormonat weiter leicht verschlechtert. Der von dem Institut erhobene Index der Konjunkturerwartungen fiel auf minus 24,5 Punkte von minus 21,1 im Vormonat und damit etwas stärker als erwartet. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten lediglich einen Rückgang auf minus 22,5 Zähler vorausgesagt. Der Index der Lagebeurteilung sank von 7,8 auf minus 1,1 Punkte.
"Die vom ZEW befragten Finanzmarktakteure blicken offenkundig pessimistisch auf Europa", stellte auch NordLB-Analyst Tobias Basse fest. In Deutschland sei nun auch die Lagebeurteilung in negatives Terrain abgerutscht. "Die Stimmung ist somit schlecht - und die Aussichten präsentieren sich sogar noch schlechter", erklärte Basse. Mit minus 24,5 Punkten deute der vorauslaufende Stimmungsindikator "inzwischen einen recht nachhaltigen Pessimismus bei den Befragungsteilnehmern an". Bemerkenswert sei hingegen die relative Stärke der US-Wirtschaft.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sah in den neuen ZEW-Konjunkturdaten ein "Alarmsignal für die Bundesregierung" und forderte Gegenmaßnahmen. "Die negativen Nachrichten zur Wirtschaftsentwicklung reißen nicht ab", erklärte Verbandspräsident Mario Ohoven. Nachdem die deutsche Konjunktur 2019 bereits von anderen Forschungsinstituten abgeschrieben worden sei, rückten auch die Zahlen des ZEW "Deutschland immer weiter in die Nähe einer Rezession". Nun müssten konkrete Entlastungsschritte her. "Als Sofortmaßnahme mit Signalcharakter sollte die komplette Abschaffung des Soli für alle zum Jahresende 2019 beschlossen werden", sagte Ohoven.
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July 16, 2019 10:00 ET (14:00 GMT)
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