BERLIN (Dow Jones)--Das ifo Institut hat eine allgemeine Pflicht zur Altersvorsorge über ein staatlich organisiertes Rentenprodukt vorgeschlagen. Der Bund solle über einen "Deutschen Bürgerfonds" Geld für die Bevölkerung am Aktienmarkt anlegen. Es sei aus ökonomischer Sicht "sinnvoll, eine allgemeine Pflicht zur Altersvorsorge vorzugeben, um zu verhindern, dass sich Einzelne auf sozialstaatliche Unterstützung im Alter verlassen", erklärte ifo-Präsident Clemens Fuest. Finanziert würde dies durch die Aufnahme von Schulden. Dies sei angesichts der niedrigen Zinsen und geringen Staatsschulden durchaus vertretbar.
Der Vorschlag eines Autorenteams um Fuest im Heft "ifo Schnelldienst" sieht vor, dass der Bund ab sofort 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr investiert. Dann bekämen alle Menschen, die 2005 geboren sind, ab dem Jahr 2072 jährlich 1.270 Euro ausgezahlt. "Wegen des seit Jahren niedrigen Zinsniveaus fällt es vielen Menschen schwer, privates Vermögen aufzubauen", so Fuest. "Gleichzeitig werden bei Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien die Leistungen der Rentenversicherung nicht ausreichen, um eine gute Versorgung im Alter zu sichern." Deswegen wäre der Deutsche Bürgerfonds vor allem für Menschen mit geringen Einkommen interessant.
Aus Sicht der Autoren gäbe es Spielraum für ein solches Projekt: Der öffentliche Haushalt hat sich seit der Finanzkrise stetig erholt, die Arbeitslosigkeit ist gesunken. Die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind derzeit sogar negativ. Dadurch konnte der Bund seine Schulden deutlich senken, derzeit auf rund 60 Prozent. Deswegen sei ein weiterer Schuldenabbau nicht mehr "die optimale Politik". Der Bund könnte also Geld international breit gestreut anlegen. Aktien und Immobilien erzielten weiterhin ansehnliche Renditen, so die Autoren.
Angesichts schrumpfender Renditen an den Kapitalmärkten, den Problemen der Riester-Rente und sinkenden Erträgen im Alter ist ein staatlich organisiertes Standardprodukt in der Rente schon länger in der Debatte. Im Frühjahr 2018 hatte das Land Hessen zuerst seine Pläne einer Deutschland-Rente veröffentlicht. Im April dieses Jahres stellte die Verbraucherzentrale Bundesverband mit der "Extrarente" ein ähnliches Produkt vor.
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July 24, 2019 05:28 ET (09:28 GMT)
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