BERLIN (Dow Jones)--Deutsche Unternehmen drohen wegen zu geringer Investitionen in Wissenskapital den internationalen Anschluss zu verlieren. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.
In ihrem Vergleich des Einsatzes von Wissenskapital in der Industrie und im Dienstleistungsbereich in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, den USA sowie den drei kleineren EU-Ländern Österreich, Finnland und den Niederlanden, kommen die Autoren Heike Belitz und Martin Gornig zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis für Deutschland.
"Bei allen Indikatoren, die wir uns angeschaut haben, sieht es für die deutschen Unternehmen im Vergleich nicht besonders gut aus", betonte Studienautor Gornig. "Es braucht hierzulande eine Investitionsoffensive in Wissen, in der Industrie und bei Dienstleistern."
Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sei nicht nur, wie viel Wissenskapital vorhanden ist, sondern auch die Modernität und Qualität des eingesetzten Kapitals. Im Vergleich mit ausländischen Wettbewerbern brauche Deutschland länger, um den Wissenskapitalstock zu erneuern, kritisierte das DIW. So dauere es in Deutschland drei bis vier Jahren, während die USA, Großbritannien und Frankreich drei Jahre benötigten. Noch besser schnitten Finnland, die Niederlande und Österreich ab. Dort dauere es weniger als drei Jahre. Diese Länder verfügen daher laut DIW über den modernsten Wissenskapitalstock.
Als Konsequenz forderte das Berliner Institut deutsche Unternehmen dazu auf, deutlich mehr zu Mittel bereitzustellen. Auch die Politik müsse die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern.
Wenn man die Ziele der Bundesregierung erreichen wolle, die Mittel für Forschung und Entwicklung von aktuell 3 Prozent bis zum Jahr 2025 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, müssten Unternehmen jährlich 35 Milliarden Euro mehr im Jahr investieren, so die Berechnungen des DIWs.
Das Berliner Institut untersuchte in ihrer Studie Deutschlands Einsatz von Wissenskapital, worunter all das zu verstehen ist, was dazu dient Wissen zu generieren. Auch umfasst es Aspekte, wie und was produziert wird. Mit Forschung und Entwicklung sowie Software und Lizenzen werde allerdings nur ein Teil dieses immaterielle Kapital in der amtlichen deutschen Statistik umfasst, betonte das DIW. Für die Studienautoren gehört zu diesem Wissenskapital jedoch noch mehr - wie beispielsweise Marktforschung, Werbung, Weiterbildung, Design- und Organisationskompetenzen. In ihrer Untersuchung berücksichtigten die Autoren daher auch diese Aspekte.
"Schon wenn man Deutschland mit anderen Ländern auf Basis der amtlichen Definition von Wissenskapital vergleicht, ist das Bild nicht besonders schmeichelhaft: Deutschland hat seine Spitzenposition in der Industrie längst eingebüßt, bei den Dienstleistungen ist es Schlusslicht", erläuterte die Co-Autorin Belitz. "Das Bild verschlechtert sich noch, wenn man alle Komponenten von Wissenskapital einbezieht."
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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July 31, 2019 05:54 ET (09:54 GMT)
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